: Rückfall in die Freiheit
■ Beratungsstelle für Ex-Gefangene geschlossen. Neuorganisation noch unklar
Sechs Jahre im Gefängnis, und dann stand Andreas F. mit seinem Köfferchen vor den Toren von Santa Fu und wußte nicht wohin. Die Freude über die wiedergewonnene Freiheit mischte sich mit Panik vor der ungewissen Zukunft. Denn die Adresse der zentralen Beratungsstelle für Haftentlassene an der Altonaer Max-Brauer-Allee, die ihm ein Mitgefangener in die Hand gedrückt hatte, war nicht mehr hilfreich – die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) hat die Anlaufstelle im Frühjahr geschlossen, ohne den Insassen eine Alternative anzubieten. Gestern reichte die Fraktion der GAL eine große Senatsanfrage zur geplanten Neuorganisation ein.
Rund 60 Prozent aller Strafgefangenen werden in die Obdachlosigkeit entlassen. Viele haben keine gültigen Ausweispapiere, ein Job ist ohnehin die Ausnahme. Das Leben muß neu organisiert werden, und dabei läßt die Stadt, in deren Obhut die Gefangenen zuvor hinter Mauern waren, diese allein.
Bis zum Frühjahr konnten sie die Beratungsstelle für Haftentlassene in Altona aufsuchen. Dort konnten sie sich Adressen für Unterkünfte besorgen, etwas Kleingeld für ein erstes Essen oder die Fahrkarte zu ihrer neuen Bleibe. Die dortigen SozialarbeiterInnen waren auch befugt, ihnen Sozialhilfe für die ersten zwei Wochen als Startkapital mit in die neue Freiheit zu geben.
Seit die Beratungsstelle geschlossen wurde, bleibt den ehemaligen Gefangenen nur der Gang zum Sozialamt. Zwar plant die Stadt eine neue Entlassenenhilfe in der City. Fünf neueingestellte SozialarbeiterInnen sollen im Januar ihre Arbeit aufnehmen. Doch „es gibt eine Umstellungszeit“, räumt Sozialbehördensprecher Stefan Marks ein.
Nach dem neuen Konzept allerdings wird die Beratungsstelle auch nicht für alle Haftentlassene ansprechbar sein, sondern nur für diejenigen, die keine Bewährungshilfe haben und auch nicht mit einer Drogenberatung in Kontakt stehen. Geld wird es dort ohnehin nicht geben.
„Daß die Rückfallquote so hoch ist, liegt auch an der Perspektivlosigkeit, in die die Leute entlassen werden“, sagt ein Sozialarbeiter, der seit Jahren Gefangene betreut. „Im Knast, wo die Leute eigentlich vorbereitet werden müßten, versagt die Hilfe total.“ Elke Spanner
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