: Wortwitz schäumt Schlafsucht auf
Wie verhält man sich, wenn man beim Brikettschlucken erwischt wird? Das Fanzine und Satiremagazin „Luke&Trooke“ lehrt den Unterschied zwischen schnöder Alltagsbeobachtung und echter Aufmerksamkeit ■ Von Susanne Messmer
Was wäre, wenn jeder seine eigene Band und Plattenfirma gründen oder seinen eigenen Roman schreiben und Verlag aufmachen würde? Die Welt wäre ein wildes Wirrwarr, worin sich keiner mehr auskennen würde. Was für eine schicke Vorstellung! Nicht ein großer Multi hätte auch nur noch die kleinste Chance, Arbeitsteilung ade! Tschüs, du blöde Entfremdung!
Es sind ja bekanntlich vor allem die Fanzinemacher, die dieses Gedankengut schon seit Jahren sehr heldenhaft durchpäppeln. Selbst Leute, die das Fanzinemachen schon in ihrer frühesten Jugend an den Nagel gehängt haben, erkennt man in der Regel schnell. Der trübe Blick ist es vor allem, der sie auszeichnet, und der ihren Hang zur Vergangenheitsverklärung verrät. Denn wie sich jeder denken kann, scheiden sich auch in diesen erlesenen Kreisen die Geister selten an den rituellen Redaktionssitzungen, sondern ganz ordinär an den Fragen nach der Anzeigenbeschaffung und dem Vertrieb.
Aber es geschehen ja auch noch Zeichen und Wunder, und die formidable Zeitschrift Luke& Trooke aus Münster und Berlin lebt immer noch, auch mit verklärtem Blick, und das schon in ihrer neunten Ausführung. Anfang 1995 taten sich im tristen Münster ein paar satte Studis zusammen, teils mit Handy und elterlichem Dauerauftrag, um mal so richtig auf den katholischen Putz der Stadt zu hauen. Man beschloß, ein Fanzine zu gründen, das beinahe so funktioniert wie alle anderen auch: Die Auflage errechnet sich durch die Größe des Freundeskreises, in den nur Menschen Aufnahme finden, die auch ein Fanzine machen, deren Fanzine die anderen dann ebenfalls kaufen. Der Rest geht weg durch Verschenken, schwanzwedelnd versteht sich. Fanzine nennt man sich deshalb natürlich nicht, sondern bekennt sich spöttisch zum Mainstream und flirtet von Vorwort zu Vorwort mit fiktiven Übernahmeangeboten großer Verlage.
Man verstehe mich nicht falsch: Luke&Trooke ist das großartigste Satiremagazin, das man sich vorstellen kann, nicht trotzdem, sondern gerade deswegen. Ihre Autoren sind pseudointellektuelle, semiakadämliche Phrasendreschmaschinen, die ihre sicherheitsbedingte Schlafsucht durch Wortwitz aufschäumen. Die noch immer vom Geist der dekadenten Achtziger zehren, der Ära Kohls, in der nichts, aber auch gar nichts passierte.
Und deshalb kann man mit Luke&Trooke Spaß haben, Spaß und Spaß. Luke&Trooke, das ist eine Zeitschrift, die einen lehrt, was der Unterschied ist zwischen schnöder Alltagsbeobachtung und echter Aufmerksamkeit – aus der weltanschaulich fehlerfreien, weil gebrochenen Pespektive natürlich. Sie steckt voller phänomenaler Comics, komischer Kurzromane und alberner Hypertrendreporte. Hier kann man erfahren, wie es ist, ironisch zu wohnen, was antizyklische Globalisierung bedeutet, wie cool Lauch, Eierlikör und stonewashed Jeans sind. Man erfährt, wie man sich verhalten muß, wenn man beim Brikettschlucken erwischt wird, und was Fürchtegott tat, als er am allgemeinen Umgang mit der Welt litt.
Zu jedem guten Stück Text gehört zum Nachtisch ein gutes Stück Musik. Bum Khun Cha Youth, das ist die Band von Linus Volkmann, der auch mal ein Fanzine mit dem schönen Namen „Komm Küssen“ gemacht hat, der jetzt sein erstes superlustiges Lupo-Geschichten- Buch veröffentlicht und seine zweite Single bei einem rausgebracht hat, der auch mal ein schönes Fanzine mit dem blöden Namen Kaleidoskop gemacht hat. Ein hermetisches System, wie gesagt. Aber wen wundert's?
Ihre Musik glaubt an die Kraft der handgespielten Gitarre, sie ist ein bißchen wie Hamburg und ihr Schlagzeuger trommelt sonst bei Tocotronic. Sie treffen immer dann mitten ins Herz, wenn sie am wenigsten dafür tun. Wie zum Beispiel in dem Song „Gut so“, dessen Text sich im wesentlichen auf die Textzeile beschränkt: „Vielleicht ist es gut so. Aber sicher bist du nicht.“ Bei Parka hingegen bekennt sich der Sänger Jens Friebe zu sämtlichen Blamagen des Lebens: Mit einer Stimme, die so offen ist wie die von Rio Reiser. Dabei steigt er noch nicht mal in die Bremsen, wenn es um Autos und schnelle Frauen geht.
Sätze wie „Es ist nicht alles Gold was glänzt!“ und „Mit Träumen tief und wild und schwer von Nahkampf und Geschlechtsverkehr“ – das sind Sätze, die wir nicht mal wagten, in unsere bestickten Poesiealben zu schreiben. Jens Friebe schreit sie raus: „Macht kaputt, was euch kaputt macht!“ Dazu geht Parkas Musik ab wie Schmidts Katze. Das ist süß. Sehr süß sogar.
Lesung von Texten aus Luke& Trooke sowie Gigs von Bhum Khun Cha Youth und Parka ab 21 Uhr im SHRINE, Kreutzigerstr. 12, Friedrichshain.
Luke&Trooke gibt es bei: Holm Friebe, Hans-Otto-Straße 16, 10407 Berlin
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