Klein, aber wer?

■ Minisender sucht Chef und Zukunft: Bei Radio Bremen ist so ziemlich alles ungewiß

Radio Bremen hat jetzt einen neuen Slogan. „Klein, aber mein“ hat der kleinste ARD-Sender überall plakatiert. Das soll die Identifizierung der BremerInnen mit ihrem Funkhaus stärken. Doch hinter den Kulissen sind fast alle Besitzstandsfragen offen. Das beginnt an der Spitze: „Klein, aber mein“ soll zum 1. Mai einen neuen Intendanten locken, den die Gremien nun per Annonce suchen.

Dabei waren sie es, die zunächst lautstark protestiert hatten, nachdem die SPD/CDU-Koalition das RB-Gesetz geändert hatte, um damit indirekt Intendant Karl-Heinz Klostermeier und Hörfunkchef Hermann Vinke zum 30. April vor die Tür zu setzen. Schließlich schien ein derartiger Eingriff in einen öffentlich-rechtliche Sender ohne Beispiel. Doch dann ist auch der Rundfunkrat eingeschwenkt – man wolle am 30. April nicht führungslos dastehen. Und Klostermeier zu verteidigen, dem die aussichtslos aussehende Lage des Senders anscheinend nichts anhaben konnte, dazu fanden sich wenige. Obgleich auch der Koalition außer dem Absetzungsmanöver wenig zur RB-Zukunft einfiel.

„In dieser Situation bewirbt sich doch sowieso niemand“, erwartet Klaus Bernbacher, für die oppositionelle Partei AfB im Rundfunkrat. Die Situation: Derzeit reden die ARD-Intendanten in Erfurt über die Zukunft der Zuwendungen großer ARD-Sender (wie NDR und WDR) an die Kleinen (siehe nebenstehende Meldung) und je nach Modell wird Radio Bremen am Ende möglicherweise ein Viertel seines Etats fehlen.

„In dieser Situation“ bedeutet aber auch, daß noch zwei Gerichte zum Thema sprechen werden: Das RB-Direktorium hat beim Bundesverfassungsgericht Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, und die Oppositionsparteien Grüne und AfB haben den Bremer Staatsgerichtshof angerufen. Die Karlruher RichterInnen wollen, so eine Gerichtssprecherin, „möglicherweise im Dezember“ noch entscheiden – in dieser Woche endet die Anhörungsfrist. Der Bremer Staatsgerichtshof will dagegen „nichts übers Knie brechen“, so Günter Pottschmidt, Präsident des Bremer Oberverwaltungsgerichts. Bis Ende des Jahres hat er den Koalitionären Zeit gegeben, auf das „voluminöse Paket von über hundert Blatt Papier“ zu antworten.

Unterdessen pendeln die RB- MitarbeiterInnen zwischen Verunsicherung und Tanz-auf-dem-Vulkan-Stimmung. Der Personalrat streitet mit dem Direktorium über die Möglichkeit betriebsbedingter Kündigungen. Die wären wohl kaum zu verhindern, wenn Radio Bremen künftig das Geld aus dem ARD-Finanzausgleich verzichten müßte. Aber im Sender geht nicht nur Angst um. „Wir tun so, als stünden wir an einem Neuanfang, und machen einfach gutes Programm“, sagt einer aus der am meisten von Abwicklung bedrohten Abteilung: dem Hörspiel. „Das Wüten der ganzen Welt“ heißt die aktuelle Produktion. Wenn das kein Slogan ist. Christoph Köster