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■ Filmstarts à la carteIm Taumel von Leidenschaft und Astronauten-Sound

So ganz klappte es 1918 in Deutschland mit der großen Revolution dann ja doch nicht. Zwar wurde der Krieg beendet, der Kaiser ins Exil geschickt und die Republik ausgerufen, aber bekanntlich führte unter anderem auch die Instabilität der Weimarer Republik schließlich in die Nazikatastrophe. Bereits 1919 wurden die Spartakistenführer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg von Rechtsradikalen ermordet, und die Anführer des Matrosenaufstandes in Kiel mußten ihr revolutionäres Engagement ebenfalls mit dem Leben büßen.

Anläßlich des achtzigjährigen „Jubiläums“ befaßt sich jetzt das Zeughauskino mit Irrungen und Wirrungen jener Tage: So lebt in Margarethe von Trottas „Rosa Luxemburg“ die Frauenrechtlerin in Gestalt von Barbara Sukowa wieder auf (5.12.), und Defa-Regisseur Kurt Maetzig dirigiert revolutionäre Volksmassen, die erst in epischer Breite „Das Lied der Matrosen“ (4.12.) singen und anschließend die KPD gründen. Noch interessanter erscheinen jedoch die mit Hilfe des CineGraph Babelsberg und der Kinemathek Hamburg zusammengestellten (und sehr seltenen) zeitgenössischen Wochenschauen, Dokumentar- und Spielfilme, die sich mit der Gesellschaft im Zwiespalt zwischen Reaktion und dem Aufbruch in eine neue Zeit beschäftigen.

Victor liebt Elena. Aber Elena heiratet David. David hatte ein Verhältnis mit Clara, die verheiratet ist mit Sancho. Sancho liebt den Alkohol und seine Frau, in dieser Reihenfolge. Clara beginnt ein Verhältnis mit Victor. Um sich an Elena zu rächen, will Victor der größte Liebhaber der Welt werden.

Amour fou – das bedeutet stets mehr, aber auch nicht weniger als Fleischeslust: Pedro Almodóvar setzt sie in seinem letzten Werk „Carne tremula“ – das, wie auch die anderen Kandidaten, anläßlich der Nominierung für den Europäischen Filmpreis noch einmal im Arsenal zur Aufführung kommt – besonders eindringlich in Szene. Allerdings läßt sich kaum etwas so schwer filmen: Ein falsches Wort, ein hölzerner Darsteller – und schon erlebt der Zuschauer statt bedingungsloser Leidenschaft nur unfreiwillige Komik. Almodóvar umschifft diese Klippe allerdings elegant, indem er sein Melodram bewußt einen Millimeter unter der Lachschwelle ansiedelt. Da wird geschossen und gestorben, es gibt Rauschgiftsucht, Querschnittslähmung und eine Frühgeburt im Autobus: Stets spürt der spanische Regisseur mit schwarzem Humor auch in den dramatischsten Momenten mühelos die Groteske auf. Die Hysterie früherer Almodóvar-Filme fehlt allerdings; der Glaubwürdigkeit der Figuren kommt dies durchaus zustatten.

Wenn der Astrogator die hydrophonischen Tanks flutet und dem Kommandanten über das Visiophon Bescheid gibt, dann ist es wieder einmal Zeit für „Raumpatrouille“ – die einzige deutsche Fernsehserie, die jemals ernsthaft das Zeug zum Kult hatte. Rolf Zehetbauers Design des schnellen Raumkreuzers Orion läßt an liebevoll gestaltete Räume des Technikmuseums denken, Dietmar Schönherr und Eva Pflug geben die deutsche Variante von Spencer Tracy und Katharine Hepburn im Weltall, und im Starlightkasino werden abstruse Tänze zum „New Astronautic Sound“ des Peter-Thomas- Sound-Orchesters aufgeführt. Stilvoll.

Lars Penning

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