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Young collections aus dem Tanzsaal

■ Mit „Es wird schon ...“ präsentiert Susanne Linke unter tätiger Mitwirkung ihrer TänzerInnen ein vergnügliches, unterhaltsames und schließlich doch fragwürdiges Stück Tanztheater

„Wohin treibt das Theater?“ fragt sich morgen eine illustre Runde in der Galerie Rabus (siehe Kasten). Dabei bräuchte sie nur in Susanne Linkes neues, am Donnerstag im Schauspielhaus uraufgeführtes Tanzstück zu gehen, um Antwort auf die Frage zu finden. Erstens: Da ist ein Generalintendant namens Klaus Pierwoß, der meint, sechs bis sieben Wochen Proben seien für eine neue Choreographie genug. Und da ist zweitens die Co-Leiterin eines Tanzensembles namens Susanne Linke, die meint, ihre gerade von einer Asientournee zurückgekehrten TänzerInnen schützen zu müssen und deshalb ein ambitioniertes Projekt verschiebt und durch „etwas Leichtes“ ersetzt: „Es wird schon ...“ steht programmatisch drüber und „Honeymoon in Paraguay“ prosaisch drunter. Und zur Überraschung erfüllt der Kompromiß die Kriterien, in die so mancher Macher das Theater gern treiben würde: Es ist überaus unterhaltsam, durchknisternd erotisch, darüber hinaus spaßig und auch künstlerisch, es spricht auch junge Menschen an und enttäuscht nur die allerletzten Fans des klassischen Balletts, die sich nach 30 Jahren Tanztheater in Bremen noch immer in falsche Stücke verirren.

Ein Sommer mitten im Winter. Susanne Linkes Ausstatter Thomas Richter-Forgách hat die Schauspielhausbühne mit knallrotem Tanzboden ausgelegt und an den Rändern Tribünen für einen Teil des Publikums aufgebaut. In der Arena dazwischen räkelt sich derweil ein Paar in einem knalltürkisen Plastikplanschbecken. Daneben lümmeln zwei bunt kostümierte Männer in Liegestühlen und parlieren über die Fußballweltmeisterschaft. Und ein anderer läßt ein Quartett von Stühlen über die Bühne rotieren.

Gezählte 26 Bilder für Menschen und Requisiten hat Susanne Linke unter tätiger Mitwirkung ihrer 13 TänzerInnen choreographiert und in pausenlosen 80 Minuten überaus geschickt, ach, was-rede-ich, kongenial ineinander verwoben. Sie heißen „Die Weltmeister“, „Nette Begleitung!“, „3 x Dumm gelaufen“ oder „Cool“ und muten auch optisch ganz jugendfrisch an. In weltrekordverdächtigem Kostümwechseltempo verwandeln sich die TänzerInnen in Modetussis und Ödipussis, in Tiergestalten, biedere Tantchen und tattrige Greise, würzen das Ganze mit etwas Sex- und S/M-Appeal sowie – oft sprechend – mit charming Parodiefiguren aus ihren diversen Herkunftsländern.

Wie schon „La chute“ oder noch schoner auch schon „Frauenballett“ spielt „Es wird schon ...“ das ewige Spiel der kaputten Bindungen zwischen Mensch und Mensch, doch es wird hier ganz postmodern vorgetragen. Wo schon alles gesagt ist, heißt es: Von wegen Spaß beiseite – bei Susanne Linke fängt der Spaß erst richtig an. Wenn sich ein Depp mit Tartarenmütze-Perücke frisieren läßt und, weil's ziept, „Au Au“ jammert, wenn eine schöne Schlampe eine Mittänzerin wie ein Kleidungsstück herrichtet oder wenn die zum Haufen geiler Greise mutierte Young collection aus dem Tanzsaal einer zappelnden Popfigur nachgiert, dann wird „Es wird schon ...“ schon tauglich fürs Kabarettfestival.

Getanzt allerdings wird auch. In dieser mit Musik einer „Traviata“-Probe von Toscanini, von den Einstürzenden Neubauten oder von Serge Gainsbourg nicht bloß untermalten, durch Parallelgeschehen immer spannungsgeladenen Choreographie servieren Philippe Ducou und Ziv Frenkel einen wunderbaren Nicht-Tango-Doch-Tango, gibt Leonard Cruz bis zum Schweißausbruch einen Akrobatenwurm, zeigen die Frauen noch eine neu erfundene horizontale Version des Ensembletanzes, stolzieren ... ach ... und und und!

Wie gesagt: „Es wird schon ...“ ist ein überaus unterhaltsames Stück Tanztheater. Aber das nächste Mal bitte schön lasse man Susanne Linke (für ihr nicht aufgegebenes Projekt „etwas mit Penthesilea und mit Wasser“) mindestens zwei oder drei Monate proben, sonst treibt das Theater doch nur in die Rolle einer bloßen Unterhaltungsfabrik. Christoph Köster Aufführungen: 5. und 11. Dezember um 20 Uhr im Schauspielhaus

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