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Wohin treibt diese Republik? –betr.: „Die rote Karte gibt es künftig vor dem Foul“, taz vom 26.11., „Finale Annäherung an den Todesschuß“, taz vom 27.11.98

[...] Die Berliner SPD ist auf dem besten Wege, sich von dem ungeliebten Koalitionspartner in Sachen „innere Sicherheit“ vorführen zu lassen und liberale Positionen für immer über Bord zu werfen. Scheinbar die Zeichen aus Bonn verkennend, tappt sie in eine sicherheitspolitische Falle nach der anderen der sich nach der Wahlschlappe im Bund profilieren wollenden CDU in Berlin – und es regt sich kein Protest!

Demnächst wird es legal sein, „vorbeugende Platzverweise für mehrere Tage“ (!) durch die Polizei ausgesprochen zu bekommen. Konkret bedeutet dies, daß allein schon, wenn die Beamten einen oder eben keinen Verdacht haben, es könnte eine wie auch immer geartete strafbare Handlung von einer oder mehreren Personen begangen werden (Konjunktiv!), sie diese präventiv des Ortes verweisen können und damit in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken – und dazu noch ohne Angabe von Gründen!! Es werden also Polizeibeamte anfangen zu entscheiden, wo sich jemand aufzuhalten habe und wo nicht. [...]

Das Grundrecht auf Freizügigkeit ist in Berlin damit Geschichte, bzw. es liegt nunmehr im „Ermessensspielraum“ von Exekutivorganen(!). Wie demokratisch! Das Argument, man wolle so „Drogenhändler das Betreten des Kottbusser Tores“ verweigern und „potentielle Störer von Staatsbesuchen“ (Freuen wir uns auf die Regierung!?) fernhalten, ist mehr als heuchlerisch. Es gibt in Berlin bestimmt noch mehr Gruppen und sozial Ausgegrenzte, die man damit mit einer faktischen Bannmeile in bestimmten Zonen belegen kann, um ein „störendes Gesamtbild der Stadt“ zu vermeiden. Warum nicht einfach ganz Berlin zu einer gefährlichen Zone erklären, das wäre wenigstens ehrlich!

Mir graut schon vor der zukünftigen Praxis, bestimmte Gebiete der Stadt nicht mehr betreten zu können bzw. bei „Zuwiderhandlung“ ohne Angabe von Gründen in „Gewahrsam“ genommen zu werden. Willkür ausgeschlossen? Willkommen Polizeistaat!

Auch die ablehnende Haltung des gesetzlichen Todesschusses durch die SPD weicht immer weiter auf. Auch hier dieselbe Strategie der CDU, den Koalitionspartner vor vollendete Vorschläge zu stellen und durch Beharren auf dem eigenen Standpunkt zur Zustimmung zu bewegen. Und die Strategie geht auf. Neu-Innensenator Werthebach und seine (Polizei-)Experten drängen auf eine gesetzliche Regelung des „finalen Rettungsschusses“, die „dem einzelnen Polizisten die Verantwortung nimmt“. Aha, soll jetzt also verantwortungslos geschossen werden?!? Auch die Formulierung Werthebachs, man sollte das Wort „Tod“ durch „Angriffsunfähigkeit“ ersetzen, ist zynische Augenwischerei. Beides ist ein und dasselbe: das gezielte Töten eines Menschen, am besten mit kollektiver Verantwortung und gedeckt durch ein verschärftes Asog. Ist es nicht gerade so, daß sich Menschen, die Waffen tragen und einsetzen dürfen, sie als letztes Mittel gebrauchen sollten und sich für jeden abgegebenen Schuß rechtfertigen müssen, eine Lehre aus der Vergangenheit und ein deutliches Zeichen für die Achtung des Lebens? Sollte nicht der Beamte, welcher das Gewaltmonopol des Staates vertritt, nicht um so umsichtiger und verantwortungsvoller handeln, als wenn er stets auf das Gesetz verweist, welches ihn von jeglicher Vernatwortung freispricht?

Wo bleibt der Protest bei diesen gravierenden Einschränkungen des Rechts auf körperliche Unversehrtheit und der Einschränkung der Bewegungsfreiheit? Wohin treibt diese Republik? Maximilian v. Demandowsky

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