: Schlagzeilen sofort richtig mißverstanden –betr.: Öcalan-Schlagzeilen, Kommentare, LeserInnenbriefe, taz vom 2. 12. 98
Obwohl ich ein Hochschulstudium erfolgreich abgebrochen habe, war ich sofort in der Lage, die Schlagzeile der Samstag-taz „Schröder baut Türken für die Kurden“ zu kapieren. Zu meiner und vielleicht auch Eurer Beruhigung erfuhr ich die gleiche Belustigung bei meinen Freunden Sigurd (ebenalls erfolgreich abgebrochener Exhochschulstudent) und Martin (erfolgreicher Deutschlehrer nicht nur für ausländische Mitbürger). Auch die Schlagzeile „Schlechter Tag für Schlächter“ mißverstanden wir sofort richtig!
Unseren kurdischen Freund Bedo, der erfolgreich als Übersetzer arbeitet, konnten wir zu diesen Schlagzeilen noch nicht befragen, er hat allerdings ein Hochschulstudium weder erfolgreich abgeschlossen noch abgebrochen, geschweige denn jemals begonnen. [...] Simone Bauer, Frankfurt/Main
Ich finde es unerträglich, wenn die türkische Regierung und besonders die Armee sich als glorreiche Sieger im Kampf um die nationale Einheit feiern, obwohl deren ignorante Politik jedweden Minderheiten gegenüber die türkische Bevölkerung im Laufe der letzten Jahrzehnte eher gespalten hat. Ich denke, in den letzten Jahren wurde es vielen Türken immer schwerer gemacht, sich mit ihrem Land zu identifizieren.
Genauso unerträglich aber finde ich die Heroisierung Öcalans als (fortschrittlichen!) Freiheitskämpfer. Er hätte ja durchaus einer werden können, aber er, der als Marxist begann, endete als Miniaturausgabe eines Stalin. [...] Viele Frauen und Mädchen, die für die (emanzipierte) PKK bei Nacht und Nebel mit Gewehren im Rücken Brot backen durften, können ein Lied davon singen. Die PKK hat genauso dazu beigetragen, die Türkei zu spalten. Ihre Aggression hat die „kurdische Sache“ auf lange Sicht diskreditiert – was sind explodierende Bomben in türkischen Ferienorten anderes als bloßer Terror? Die PKK hat die Arbeit kurdischer demokratischer Politiker ungemein erschwert. [...]
Sicher, Deutschland lieferte Waffen an die Armee und trug so dazu bei, daß diese viele Menschen in diesem Krieg verheizen konnte. Und man hielt sich auch sonst vornehm zurück, wenn die türkische Armee völkerrechtswidrig in den Irak einfiel. Aber das Verhalten deutscher Politiker haben deutsche Juristen und die Opfer der PKK nicht zu verantworten. Und ein Öcalan im deutschen Gefängnis ist doch kein Hinderungsgrund in Zukunft alles mögliche für eine friedliche und dauerhafte Lösung des Konflikts zu tun. [...] Heike Atlialp, Düsseldorf
Na, das war ja zu erwarten. Da hat die taz einmal einen lichten Moment und bezeichnet diverse Militärs wahrheitsgemäß als Schlächter, und schon reicht der Platz nicht mehr für alle geifernden Leserbriefe. [...] Über die Tatsachenbehauptungen, über ein paar hundert Leichen mehr oder weniger, mag man streiten. Daß jedoch einigen Lesern die Bedeutungsgleichheit der Wörter „Freiheitskampf“ und „Schlächter“ nicht bekannt ist, ist unentschuldbar. Aus der Geschichte der Menschheit ist kein Fall bekannt, in dem nicht selbsternannte Freiheitskämpfer ihr Land oder ihre Region nur noch tiefer in die Scheiße geritten hätten. [...] Ralf Kleinworth, Mannheim
Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die auf dieser Seite erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.
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