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An Gott glauben und auf Jesus setzen!

■ Von guten und schlechten Jungs: Zwei Filme des „Berlin“-Amerikaners Rick Minnich

1986 beendete Rick Minnich seine High-School-Zeit in Kalifornien; 1996 traf der in Berlin lebende Filmemacher seine Mitschüler bei einem Klassentreffen wieder und machte einen Film daraus. „,Pom poms and atom bombs‘ – das ist mir von der High-School- Zeit in Erinnerung geblieben. Die unnahbaren Cheerleaders und die irrsinnige Aufrüstung, die in der nahe liegenden Mojave-Wüste im Gange war. Es war die Reagan- Ära – Zeit, um die Sowjets von der Erde zu fegen. Der unheilvolle Kalte Krieg brach sogar in unser Klassenzimmer ein und trieb einige von uns dazu, die vielbeschworenen Fronten zu beziehen“, sagt Minnich, der als linker Freak sozusagen auf der Seite der Friedensfreunde gestanden und John Wayne auch mal einen Rassisten genannt hatte. „Es war Kalter Krieg, aber es war Krieg“, meint einer seiner Mitschüler, der später bei der Armee Karriere gemacht hatte, „und du warst auf der anderen Seite.“ Der Frage, ob er auf seinen unamerikanischen Mitschüler hätte schießen können, weicht der Soldat, an seinem Swimmingpool sitzend, aus. Die damaligen Gegner, die Minnich in seinem angenehm persönlichen Film „Good Guys and bad guys“ nach ihrem Leben fragt, wirken recht eloquent auf dem Golfplatz oder hinter ihren arrivierten Schreibtischen: Ein Rechtsanwalt, der eine Weile im Büro von Ronald Reagan gearbeitet hatte, sieht aus wie Dukatis, ist überzeugt davon, daß Reagans Politik zum Zusammenbruch des Kommunismus geführt hat und möchte nicht ausschließen, später vielleicht mal Präsident werden zu wollen. Minnichs ehemalige Gesinnungsgenossen sehen aus wie Hippies, Rocker oder Roadies und arbeiten beim Film oder als Pfarrer. An Gott zu glauben, auf Jesus zu setzen muß nicht langweilig sein! Deshalb klopft der Pfarrer bei einem lustigen Gottesdienst auf einen Sarg, der grad in die Kirche gebracht worden ist, und dann steigt ein langhaariger Mitschüler von Minnich aus dem Sarg, um zu zeigen, wie es uns Christen nach dem Tode gehen wird. In einem sind sich der langhaarige Jesusfreund und der rechte Anwalt einig: Sex vor der Ehe sollte lieber doch nicht sein! Darüber, was für eine Bedeutung politische Dissidenz im Alltag der vorortlichen S.-Hart-High-School hatte, hätte man eigentlich ganz gern mehr erfahren. Recht schön dafür sind die Bilder der so unnahbar wie asexuell wirkenden Cheerleaders und der paar braungebrannten Ampelmädchen, die viel Spaß haben im Sommer an einer Straßenkreuzung beim Autowaschen.

Rick Minnichs „The book of Lenins“ ist ein kleiner Tagebuchfilm, der auf einem archäologischen Filmfest in Dänemark preisgekrönt wurde. Minnich erzählt sehr angenehm lakonisch von einer Reise nach Moskau 89, bei der er angefangen hatte Lenindenkmäler zu fotografieren. Zurück in New York ist Harold, der sich für seinen Manager hält, ganz begeistert von den Bildern und vermittelt ein Lenindenkmalfoto-Buchprojekt mit Vorschuß. Damit fährt Minnich in die große Sowjetunion und fotografiert da und dort und recherchiert auch einem der schönsten Lenindenkmäler hinterher, das damals noch am Berliner Leninplatz stand und aus revanchistischen Gründen 1991 – gegen den Willen der Massen! – abgerissen wurde. Ob Lenin, der fast hundert Meter groß war, immer noch am Stadtrand vergraben liegt, war auf die Schnelle nicht rauszukriegen. Detlef Kuhlbrodt

„The book of Lenins“; BRD 1993, 24 Min. „Good guys and bad guys“; BRD/USA 1997, 73 Min. Beides zusammen im Doppelpack am 8.12., 21 Uhr (mit anschließendem Gespräch mit Rick Minnich), und am 9.12., 19 Uhr, im Filmkunsthaus Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, Mitte, U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz

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