■ Surfbrett: Spaziergänge ohne Körper
Werner Zurfluh leidet an multipler Sklerose und ist seit 1996 an den Rollstuhl gefesselt. Dieses Schicksal allein aber ist es nicht, was den 53 Jahre alten Basler dazu gebracht hat, sich jahrzehntelang mit der Frage zu beschäftigen, ob wir bei vollem Bewußtsein unseren Körper verlassen und außer uns die Welt erkunden können. Für Werner Zurfluh ist das schon keine Frage mehr. Er schreibt, daß er solche Erfahrungen seit seiner Jugend kennt. Die Lektüre einer Biographie von Carl Gustav Jung hat ihn bestätigt. Trotzdem studierte er Naturwissenschaften und arbeitete als Biologielehrer. Was er unternimmt, wenn er außer sich geht, kann die Biologie freilich nicht erklären, und um naturwissenschaftliche Theorien kümmert sich Zurfluh auf seiner Website unter www.surselva.ch/oobe/ gar nicht erst. Seine Wanderungen durch Landschaften, Flure und Räume sind ihm selbst ein Rätsel, er kann sie nur beschreiben. Oft sind sexuelle Wünsche im Spiel, und jungsche Atavistik geistert durch die peinlich genauen Aufzeichnungen. Zurfluh sieht nicht nur eine Waage, sondern auch die Urform der Waage. Manchmal versucht er, den Übergang in dieses zweite Leben zu fixieren. Aber das gelingt ihm nicht recht, es ist kein allmähliches Auswandern aus dem Körper, sondern ein abrupter Wechsel. Wer sich die Zeit nehmen will, diese seltsamen Abenteuer nachzulesen, muß nicht online bleiben. Vorbildlich bietet Zurfluh seine Texte auch als Archiv zum Herunterladen an.
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