: Als „Aufpasserin“ mißbraucht?
■ Polin wegen Menschenhandel vor Gericht / Gatte ist flüchtig
In Polen arbeitete Iwona Z. bei der Sozialhilfe. „Ich wollte den Menschen helfen“, so die 24jährige Mutter. Als sie gestern in Handschellen in den Saal 305 des Wandsbeker Amtsgerichts geführt wird, wirkt sie unauffällig. Nette Erscheiung, Lederjacke und Jeans, lange lockige Haare und in ihrem Gehabe eher schüchtern. Doch im kapitalistischen Westen soll sie – so die Anklage – erbarmungslos und mit Gewalt junge russische Frauen zur Prostitution gezwungen haben.
Um das große Geld abzusahnen, mieten Iwona Z. und Ehemann Jaczek Z. im Mai dieses Jahres das „Appartement 6“ in der Wandsbeker Litzowstraße 10 an. Als die 19 Jahre alte Russin Alena O. und die 20 Jahre alte Lettin Aljina S., denen von einer Agentur in Riga ein Vertrag als Tänzerinnen versprochen worden war, Mitte Mai in Hamburg eintreffen, werden noch die Eta- blissements 4 und 5 dazu gemietet.
In der Litzowstraße, so die spätere Aussage der Russinnen vor der Polizei, habe Iwona L. ihnen offenbart, daß sie nicht als Tänzerinnen, sondern als Prostituierte zu arbeiten hätten. „Sie gaben an, daß sie sich diesem Schicksal fügten, keine Chance sahen, sich zu widersetzen“, erinnert sich Fahnder Bernd F. an die Vernehmung.
Die 24jährige Polin soll es auch gewesen sein, die die Preisliste erstellt und die alle Einnahmen abkassiert haben soll. Bernd F.: „Die Angeklagte war eine Art Aufpasserin. Die beiden Frauen fühlten sich immer von ihr beobachtet.“ Als die Lettin ankündigte, gewisse Männer nicht mehr zu empfangen, sei sie von Jaczek geschlagen worden. Iwona habe angeheizt: „Richtig so, die Hure hat's verdient.“
Zwei „verliebte“ jugoslawische Freier wollen dann die beiden Frauen befreien. Doch als sich Aljina vom Balkon abseilen will, sei sie von Iwona Z. festgehalten worden. Trotzdem gelingt der Lettin in der Nacht zum 27. Mai – nur mit Nachthemd bekleidet – die Flucht zur Polizei. Alena O. wird befreit, Iwona Z. verhaftet.
Hinter dieser Episode steht laut Polizei ein internationaler Frauenhändler-Ring, die aus Riga Russinnen über Stendal und Berlin in die deutschen Großstädte verschleppt. Ob Iwona Z. allerdings in den Menschenhandel involviert war oder von Ehemann Jaczek nur als „Aufpasserin“ mißbraucht wurde, bleibt unklar. Fest steht aber, daß Jaczek Z. untergetaucht ist, und die beiden Russinnen befinden sich wieder in der Heimat. Iwona Z. verweigert bislang die Aussage: „Weil ich unschuldig bin“. Der Prozeß wird kommende Woche fortgesetzt.
Kai von Appen
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen