: Eklatanter Verstoß
■ Mieterverein und Grundeigentümerverband wollen gegen Müllgebührenerhöhung klagen Von Kai von Appen
Der „Mieterverein zu Hamburg“ und der „Grundeigentümer-Verband Hamburg“ bilden heuer eine Kampffront: Beide Verbände haben angekündigt, gegen die geplanten drastischen Erhöhungen der Müllgebühren zu klagen. Mietervereinschef Eckard Pahlke: „Wir prüfen zur Zeit, ob wir eine Verfassungsklage anstrengen. In diesem Punkt werden wir wohl ausnahmsweise einmal mit den Grundeigentümern an einem Strang ziehen.“
Stein des Anstoßes ist die Ankündigung der Müllabfuhr, über die reguläre Betriebskostenerhöhung hinaus die Gebühren pro Haushalt ab 1. Januar 1996 zusätzlich um 1,15 Mark anzuheben – und ab 1. Januar 1997 nochmals um 75 Pfennige. Damit soll die 175 Millionen Mark teure Sanierung stillgelegter Mülldeponien am Hamburger Stadtrand finanziert werden. Der Vorwurf von Mietern und Vermietern: Der Hamburger Senat habe sich mit der Privatisierung der Stadtreinigung, für die die Stadt bereits 166 Millionen Mark an Rücklagen verschleuderte, aus der Verpflichtung gestohlen, selbst für die Beseitung von Altlasten zum Schutz der Umwelt aufzukommen. Die Verbände berufen sich dabei auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig, das einer Kommune verboten hatte, die Kosten zur Sanierung einer bereits stillgelegten Altdeponie auf die Verbraucher abzuwälzen.
Der Senat hatte versucht, sich davon zu befreien, indem er 1992 ein neues Abfallbeseitigungsgesetz verabschiedete, das im Paragraph 22 ausdrücklich die Abwälzung der Kosten für Deponiesanierung an die Bürger billigt. Ob dieses Gesetz zulässig ist, wird auch von der Bürgerschaftsopposition bezweifelt. GAL-Sprecherin Brigitte Köhnlein: „Wir halten dieses Gesetz für verfassungswidrig.“
Mieterchef Pahlke erläutert: „Es ist ein eklatanter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.“ Es dürften nur die Kosten vom Verbraucher erhoben werden, die für ihn enstanden sind. Deshalb müsse die Deponiesanierung aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werden, zum Beispiel aus den Grund- oder Grunderwerbssteuern. Alle blasen ins selbe Horn: Der SPD-Senat habe es in den vergangenen Jahrzehnten versäumt, für die Deponienachsorge Rücklagen zu bilden.
Die nächste Hiobsbotschaft ist schon unterwegs: Bei der ebenfalls privatisierten Stadtentwässerung – hier sahnte die Stadt 1,7 Milliarden Mark ab – wird derzeit ebenfalls beraten, wie mit deftig erhöhten Gebühren das 150 Jahre alte Sielnetz instandzusetzen ist. Die Stadtentwässerung rechnet, daß die teilweise Erneuerung des 5000 Kilometer langen Tunnelsystems jährlich 200 Millionen Mark kostet.
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