Protest gegen Tierversuche bis zum eigenen Tod

■ Seit 68 Tagen hungert ein englischer Tierschützer für eine offizielle Untersuchung von Tierversuchen. Die Regierung befürchtet bei seinem Tod Racheakte militanter Tierschützer

Dublin (taz) – Sein Hungerstreik hat die Nation in zwei Lager gespalten: Die einen halten Barry Horne von der „Animal Liberation Front“ (ALF) für einen Märtyrer in Sachen Tierschutz, für die anderen ist er ein Verrückter, dem Ratten wichtiger sind als Menschen. Der 46jährige Horne, geschieden, Vater von zwei Kindern, früher Müllmann, war wegen einer Kette von Brandstiftungen zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Im Gefängnis von York begann er vor mehr als zwei Monaten seinen dritten Hungerstreik, um eine Untersuchungskommission zu Tierversuchen durchzusetzen. Sein Zustand ist äußerst kritisch. Am Leben ist er wohl nur noch deshalb, weil er Anfang des Monats drei Tage lang Tee und Orangensaft getrunken hatte, um eine Erklärung der Regierung abzuwägen.

Zwischenzeitlich hatte man ihn ins Krankenhaus von York verlegt. Doch weil die Proteste von Tierschützern den Krankenhausbetrieb störten, mußte er am Donnerstag wieder zurück ins Gefängnis Full Sutton. „Worte sind billig“, sagte Horne dem Observer, der die Fragen trotz Interviewverbots ins Krankenhaus geschmuggelt hatte. „Nur Taten zählen. Ich mache das nicht für mich, sondern für jedes Tier in einem Folterlabor. Ich will sterben. Im Tod gewinnst du.“

Sollte Horne sterben, rechnet die Polizei mit einer Kette von Racheakten. Die „Animal Rights Militia“, eine Absplitterung von ALF, hat die Namen von zehn Wissenschaftlern veröffentlicht, die umgebracht werden sollen, wenn Horne stirbt. Was hält er davon? „Die Leute müssen tun, was sie als Antwort auf meinen Tod für richtig halten“, sagte er. „Seht euch die Nazis an und die Gewalt, die richtigerweise angewendet werden mußte, um sie zu stoppen.“

Das Innenministerium erklärte, man werde sich keinesfalls erpressen lassen. Allerdings hat sich die Labour-Regierung, die erst vor kurzem Tierversuche in der Kosmetikindustrie verboten hat, die Lage zum Teil selbst zuzuschreiben. Im Wahlkampf versprach sie, daß sie „die einzige Partei ist, der in Sachen Tierschutz zu trauen“ sei. „Wir unterstützen die Einrichtung einer Untersuchungskommission, die die Notwendigkeit von Tierversuchen sowie Alternativen dazu prüfen soll“, hieß es. Nach der Wahl war davon keine Rede mehr.

Zu Recht, meint Michael Banner vom Unterhausausschuß für Tierangelegenheiten; eine solche Kommission sei reine Zeitverschwendung, weil sie sich „nicht auf praktische Dinge konzentrieren kann, um die Möglichkeiten für Veränderungen aufzuzeigen“, sagt der Professor für Moraltheologie am Londoner King's College. Der Ausschuß hat jetzt ein Reformpapier vorgelegt, das auch zu Horne geschickt wurde. Banner versicherte, bei der Veröffentlichung habe Hornes Hungerstreik keine Rolle gespielt.

Gestern wurde spekuliert, daß Horne seinen Hungerstreik vielleicht in letzter Sekunde abbricht. Sein Freund Tony Humphries, der ihn am Wochenende im Gefängniskrankenhaus besucht hatte, sagte: „Sein Zustand hat sich wegen der Verlegung ins Gefängnis rapide verschlechtert. Er hat die Papiere noch nicht gründlich studieren können. Er braucht dazu noch ein oder zwei Tage.“ Eine lange Zeitspanne für jemanden, der heute 68 Tage im Hungerstreik ist. Ralf Sotscheck