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In der Nachtschattengewächsliga

■ Keine Angst vor Roni Size und Metalheadz: Das Hanauer Drum&Bass-Label Precison stellt sich und seine Labelcompilation „High Performance Showdown“ im WMF und im 90 Grad vor

Nur Rollsplit dürfte ähnlich gemein schürfen wie dieser Rhythmus. Der Sound ist schmutzig und schroff, schonungslos schneidend und finster. Keine blumigen Schnörkel, wenig geheime Klänge ganz tief am Boden der Musik – nur selten läßt ein diskretes Sample einen Hauch einer Erinnerung an irgend etwas Konkretes durch. Vielleicht mal ein Hall wie ein Absauggeräusch beim Zahnarzt oder etwas Flötenartig-Japanisches. Außerhalb dieser losgelösten Musik ist also fast nichts. Darum fordert sie nur auf, sich zu bewegen, daneben läßt sie wie ein rauschendes Vakuum ganz viel Weite, ganz viel Zwischenraum für das, was im Hörer selbst vorgeht.

Makai ist nur eine der vielen Projekte eines kleinen Labels aus der hessischen Garnisonsstadt Hanau, das Precision heißt. Aber es ist das Radikalste, das Krasseste, Kratzigste und Futuristischste. Als die Makai-CD „Millennium“ im Sommer erschienen war, schien das wie eine Rückschau auf zwei Jahre Labelgeschichte: auf fast zwei Jahre allerfeinsten Techstep, auf geradlinig durchgehenden, aber trotzdem gebrochenen, anarchischen und schlauen Drum 'n'Bass. Und auf eine kleine Erfolgsgeschichte. Trotz der vielen Abgesänge auf dieses durch mediale Verflachung geplagte Genre.

Trotz der Unkenrufe, Deutschland sei zwar Techno-Hoheitsgebiet, ganz bestimmt aber nicht das der subtilen Klangforscher im Stil der Metalheadz-Nachtschattengewächsliga oder Roni-Size-Sonnenkindergemeinde.

Die Macher von Precision scheren sich nicht um solche verkrampften Schlußakkorde des Popjournalismus. Sie haben unter dem gescheiterten Höher-Schneller-Weiter-Hype der Industrie hindurch immer an gut funktionierenden, hermetischen und für den Laien ziemlich knifflig vernetzt wirkenden Strukturen festgehalten, die ihnen selbstbestimmtes Produzieren ermöglichte.

Precision, das sind drei Nerds aus der gruseligsten Provinz, mit denen man schon auch mal noch nachts um halb zwei verwirrende Telefoninterviews führen könnte. Frank Marheineke, Jan Hennig und Stefan Straßburg produzieren und legen als Mainframe, Kabuki und Navarone auf. Alle drei haben für Makai und letztes Jahr für die CC „Zero Hour“ als Megashira zusammengearbeitet, auf der es etwas wärmer und versöhnlicher zuging als bei Makai. Außerdem sitzen sie Tag und Nacht in ihrem Multimediabüro, in dem mit der Produktion von Sounddesigns von Homepages, Computerspielen und CD-Roms ihr Geld verdienen.

Nicht, daß sie es so nötig hätten: Mit Makai klingelt es schon ganz gehörig in den Kassen dieser Bastler und Beatspalter, in Japan verkauft sich das Album laut Marheineke momentan besser als Grooverider oder Goldie. In Japan wird gerade ein computeranimiertes Video im zu einer Single produziert, in dem der roboterartige Makaiwalker auf dem Cover der CD vom Mond auf die Erde stürzt, sehr mangalomanisch, wie Marheineke es formuliert. Aus Japan hat man außerdem Tsuneari Fujii mitbringen können, der im Frühjahr dieses Jahres bei Precison eine Single herausgebracht hat und jetzt auch auf der frisch erschienenen Labelcompilation vertreten ist.

„High Performance Showdown“ ist eine Compilation, der es Normalsterblichen ermöglicht, Precision kennenzulernen, ohne sich auf die mühselige und komplizierte Jagd nach Vinyl begeben zu müssen. Hier finden sich Tracks von Makai, DJ Kabuki oder auch Einzelgänger, einem Projekt, in dem neben Kabuki auch Lars Vegas, der Geschäftsführer des Groove-Attack-Plattenladens in Köln, beteiligt ist. Dessen Stück „le mans“, gehört zu den verblüffendsten und humorvollsten der CD. Es stellt eine nebelhafte, weltfremde Verbindung zur Funkiness der 70er her und intergriert einen verhetzten Bass, der irgendwie auch an eine der ulkigsten Bands der 80er Jahre erinnert: an Kajagoogoo. Rastas und Raumgleiten passen hier plötzlich so wundersam zusammen wie Weihnachtsgans und Rotkohl. Außerdem gibt es ein minimalistisches Stück des Frankfurters Miguel Ayala, das es durch ein Klaviersample fast schafft, etwas Molligkeit aufkommen zu lassen. Aber auch eine Spannung, etwas Aufgeladenes wie die heiße, gelbe, feuchte Luft kurz vor einem lauwarmen Sommergewitter. Susanne Messmer

Miguel Ayala legt heute ab 23 Uhr im WMF, Johannisstr. 2, Mitte auf.

Sonntag ab 22 Uhr steht DJ Kabuki im 90 Grad, Dennewitzstr. 37, Schöneberg, an den Plattentellern

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