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Wenn die zaubernde Wunschfee kommt ...

■ Der amtliche, wenngleich entschärfte Wunschzettel der versammelten Belegschaft der taz, denn nicht alle vorgebrachten Wünsche waren auch Kinderseelen zumutbar

Stellen Sie sich vor, eine wunderschöne und vertrauenswürdig wirkende Fee träte auf Sie zu und verspräche, Ihnen – anders als alle anderen Feen – nicht nur die Erfüllung dreier Wünsche, sondern aller Ihrer Wünsche. Genau das geschah in der Woche vor Weihnachten der Belegschaft der taz Bremen. Um genau zu sein: Es wurde nicht die Erfüllung der Wünsche versprochen, aber immerhin wurden alle geäußerten Wünsche zu Protokoll genommen. Nun hat aber schon das Niederschreiben von Wünschen, wie wir von unseren Wunschzetteln für Weihnachtsmann und Christkind wissen, einen außerordentlich magischen Gehalt. Das bedeutet, schon das Aufschreiben rückt uns der Verwirklichung näher. Weiter ist nicht von der Hand zu weisen, daß die anschließende Veröffentlichung der taz-Belegschaftswünsche in der taz dem ganzen Wunschgeschehen noch mehr Dynamik verleiht. Könnte doch dieser Leser oder jene Leserin sich veranlaßt sehen, endlich einmal den jeweiligen Lieblings-tazler über die Abogebühr hinaus zu verwöhnen. Vor diesem Erwartungshintergrund geschah es, daß die wunderschöne und vertrauenswürdig wirkende Fee in der taz, nachdem sie zunächst verspottet und veralbert wurde, schließlich so ernst genommen wurde, daß manches Belegschaftsmitglied die Fee auch nach der offiziellen Befragung zur Seite nahm, damit die Wunschliste keineswegs unvollständig bliebe. Und hier die amtliche taz-Wunschliste, die im Einzelfall allerdings „entschärft“ werden mußte, da nicht alle Wünsche erwachsener Menschen auch Kinderseelen zuzumuten sind.

Die vordergründig bescheidensten Wünsche äußerte der Ehrenvorsitzende der taz, in Personalunion Seniorchef, Ältestenratsvorsitzender und Grand Old Boy dieser Firma, Klaus Wolschner. Er wünscht sich von seinen Eltern ein Bein für seinen künftigen Klavierschemel. Und nährt damit den Verdacht, daß er sich heimlich die anderen beiden Beine auch wünscht. Bei solcher – vor seinem kulturellen Hintergrund sicher nachvollziehbaren – restriktiven Umgangsweise mit eigenen Wünschen werden natürlich allerlei Spekulationen Tor und Tür geöffnet: Wofür steht „Bein“? Erinnert „Schemel“ nicht an „Sitz“, dieser an „Sitzung“, diese an Geheimpapiere und Tischvorlagen? Nach intensivem Drängen von Seiten der Fee murmelte Herr Wolschner noch: „S F 2 Interface“, was weitere Spekulationen lostreten wird.

Eine private und hier nicht zu diskutierende Veränderung im persönlichen Bereich veranlaßt die Politikredakteurin Katja Ubben, sich Gegenstände des täglichen Bedarfs zu wünschen, etwa einen Papierkorb, einen Anrufbeantworter und einen Staubsauger. Doch plötzlich brach sich ein völlig neuer Wunschhorizont Bahn: eine All-Inclusive-Card des Reitclubs St. Georg soll es sein, dazu eine hübsche Reitjacke und zwei Wochen Reiterferien auf Spiekeroog. Auch hier soll nicht weiter interpretiert werden, obwohl die Verlockung groß ist.

Stark von der selbstverordneten „Schere im Kopf“ betroffen ist der Wunschzettel von Politikredakteur Jens Tittmann, der sich einerseits eine Stange Zxxxxxx wünschte, andererseits drei Zentimeter mehr xxxx und volleres Hauptxxxx. Eine bessere Gesundheit käme bei ihm auch gut an und brächte ihn seinem Ziel näher, als Kriegsberichterstatter zu reüssieren. Außerdem wünscht sich Herr Tittmann einen MD-Player.

Kulturredakteurin Barbara Kern brachte zunächst provokativ gemeinte und deshalb nichtige Wünsche vor wie „ein goldener BMW“. Doch schnell besann sie sich, da ja etwas dran sein könnte an der Wunschliste, und drang in wirklich tiefe Wunschschichten vor: ein Reise nach Kuba! Audienz bei Castro! Ein neuer Job in einer neuen Stadt, 25-Stunden-Woche, 2000 netto reicht. Ob das Generalkonsulat von Kuba goldene Dienstwagen stellt?

Fotografin Katja Heddinga wünscht sich – ach so! – eine Contax G 2. Was ein Fotoapparat ist, Wert um 3.000 Mark. Eine Arbeitsplatte fürs Labor incl. Einbau. Die Reparatur ihres Fahrrads. Einen alten Koffer aus dem Trödelladen Dobbenweg. Einen dunkelroten Samtrock. Eine Reise Bremen-Venedig-New-York-London-und-Bremen. Und, was der gewiß unverschämteste Wunsch ist: „Überraschungen“.

Veränderungen sieht ntx entgegen, der Anzeigengestalter und Computerarzt, ein Mann, der heimlich Kai Wenzel heißt. Er wünscht sich nur eine tolle Wohnung in Hamburg. Halt, eins noch: „Daß mein Motorrad wieder fährt.“ Halt, dies noch: „Einen Motorradurlaub auf Island.“

Sie steht zu ihren Wünschen, die andere als äußerlich abtun könnten: Politikredakteurin Kerstin Schneider braucht: Badeschaum von Coco Chanel (50.-); Präsentkorb von Haché; Lippenstift von Lacone, rot, versteht sich; Lederetui für Markenfüller; ein Wochenende im Parkhotel. Darüberhinaus ein Ölbild von einem Bremer Künstler für übers Sofa, einen Gutschein über 100 Stunden Steuerberater und den Pulitzer-Preis.

Wie heißen diese Unterhosen, die lang wie Boxershorts sind und eng wie italienische Slips? Egal, Politikredakteur Christoph Dowe wünscht sie sich (H&M), dazu eine Handvoll billiger Socken, einen Computer mit Internetzugang, je ein Zeitungsabo der FR, SZ, FAZ, ZEIT, Konkret, Wired und Medien-Magazin. Sowie aus hier nicht zu diskutierenden gesundheitlichen Gründen einen Bürostuhl von Aaron für 2.500 Mark. Um „Dekadenz“ zu erleben, soll es dazu ein Frühstück im (schon wieder!) Parkhotel sein. Weil man aber Zeit nicht wünschen kann, wünscht sich Herr Dowe das Sabbathjahr für die taz.

Anzeigenaquisiteurin Marion Darge hat offensichtlich eine umfassende Licht- und Farbsehnsucht und wünscht neben einer sommerlichen Reise nach Borkum allerlei Buntes: ein blaues Nubukledersofa; auch über diesem Sofa soll ein Originalgemälde hängen, überhaupt soll die ganze Wohnung renoviert werden, Vorzugsfarben orange und gelb. Und wenn noch eine Woche Beauty-Farm draufgelegt würde und ein paar neue Jeans, wäre Frau Darge schon zufrieden.

Am Schreibtisch nebenan sitzt Angelika Saupe, die sich ein Bettgestell wünscht. Als die Fee schon mitleidig dreinblicken wollte, fügte Frau Saupe hinzu: „Dafür brauche ich aber auch eine größere Wohnung.“ Aha! Auch hier das typisch weibliche Sofa-Defizit – ein Sofa bitte für Frau Saupe. Rot. Stoff. Weiter einen grünen, ersatzweise apfelsinenfarbenen Hosenanzug, ein Lexikon „Geschichte der Frauen“, ein paar schicke Küchensiebe. Und einen Druckkostenzuschuß für ihre Dissertation braucht sie noch.

Til Mette, von Gott eingesetzter Karikaturist, flüsterte der guten Fee, vielleicht weil das Auslandsgespräch so teuer war, nur dies in die Ohren: „Ich wünsche mir, daß ich die Motorradführerscheinprüfung des Staates New Jersey bestehe.“ Die Wiedergabe eines weiteren Wunsches ist Kinderseelen auch in umschriebener Form nicht zuträglich. Nur soviel soll hier verraten werden: Es geht um die Gründung einer Familie.

„Nichts materielles“ gibt die freie Autorin und Sachverständige in Sachen klassische Musik, Ute Schalz-Laurenze, gegenüber der Fee vor zu wünschen. Zeit, ja, die fehle, sie wünsche sich allenfalls einmal drei Stunden Nordsee. Oder einmal einen Mittagsschlaf von zwei Stunden Dauer. Obwohl ... einen ganz teuren schwarzen Hosenanzug, den wollte sie der Fee ganz gern noch nachrufen.

Ganz unproblematisch in Sachen Wunschproduktion zeigt sich der Kulturredakteur der taz-bremen Christoph Köster: Tanzschuhe, Videorecorder, ISDN-Anschluß, ein Schrebergarten, ein Termin bei einem sauteuren Friseur sowie einen Käufer für seinen Fiesta Baujahr 1988, 80.000 Kilometer, U-Kat, technisch O.K., altersbedingte Kratzer, es paßt ein Fahrrad rein, Kontakt 0421/320123. Und dafür als Ersatz bitte einen Neuen, ruhig wieder Ford, aber mit viel mehr PS!

Elke Rosenkranz ist Kleinanzeigenredakteurin, hat aber dessenungeachtet große Wünsche: Erstens Urlaubsreise Karibik, drei Wochen; zweitens Jahresabo fürs Theater, sogar fürs Bremer. Ein Ökohaus, aber nicht in Lilienthal. Oder doch am liebsten eine im Stadtzentrum gelegene Mühle, mit Garten. BuS

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