Harte Urteile gegen Publizisten in China

Parteiorgan berichtet von hohen Haftstrafen für illegale Publikationen. Taiwans Präsident trifft erstmals Wei Jingsheng  ■ Von Sven Hansen

Berlin (taz) – In China sind gestern 18 Urteile von bis zu 13 Jahren Gefängnis für die Verbreitung illegaler Publikationen bekanntgeworden. Das Parteiorgan Volkszeitung berichtete über vier Fälle, in denen nicht zugelassene politische Schriften gedruckt, vertrieben oder verkauft worden sein sollen. In der Provinz Hebei wurden demnach 13 Personen verurteilt. In einem Fall wurden die Druckplatten und 50.000 Exemplare des illegalen Buches beschlagnahmt. In Peking erhielt ein Mann für den Verkauf illegaler politischer Schriften drei Jahre Haft. Zwei Männer in der Provinz Hubei und zwei weitere in der Hafenstadt Tianjin wurden zu bis zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil sie Bücher gedruckt und vertrieben hatten, die „ernsthafte politische Probleme“ enthielten, so das Blatt.

Wann die Urteile gefällt wurden und um welche Inhalte es bei den Publikationen geht, wurde nicht mitgeteilt. Beobachter vermuten, daß es sich um Raubdrucke von Büchern aus Taiwan und Hongkong handelt. In China verboten sind zum Beispiel die Memoiren des Leibarztes von Mao Tse-tung und Bücher über die Bereicherung der Kinder hoher KP-Kader.

Die Bekanntgabe der Urteile ist wahrscheinlich Teil einer Kampagne der Regierung, die politische Kontrolle zu verstärken. Bereits vergangene Woche waren vier Dissidenten zu Haftstrafen von 10 bis 13 Jahren verurteilt worden. Drei von ihnen hatten versucht, durch die Gründung einer Partei die KP herauszufordern.

Vor Weihnachten hatte Staats- und Parteichef Jiang Zemin ein hartes Druchgreifen gegen jegliche Form von Opposition verkündet. Auch wurden neue Zensurrichtlinien bekanntgegeben. Oberstes Ziel sei die soziale Stabilität. Die staatlichen Medien wurden aufgefordert, die positiven Errungenschaften der Führung zu betonen und eine Konzentration auf negative Meldungen zu vermeiden.

Chinas Außenministerium teilte gestern mit, daß die beiden in den USA lebenden Dissidenten Zhang Lin und Wei Quanbao zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt wurden. Sie waren illegal nach China eingereist und seitdem verschwunden.

In Taiwan empfing gestern Präsident Lee Teng-hui den im US- Exil lebenden Dissidenten Wei Jingsheng. Bisher waren solche Treffen aus Angst vor Pekings Reaktionen unterblieben. Peking verurteilte das Treffen scharf. Laut Wei sicherte Lee eine Unterstützung der chinesischen Demokratiebewegung zu. Kommentar Seite 9