: Madison Square Garden in Hohenschönhausen
■ Der SC Berlin plant mit Privatinvestoren eine moderne Arena für 15.000 Zuschauer im „Sportforum“ Hohenschönhausen. Kritiker halten die Pläne für unrealistisch
Visionäre haben es in Berlin nicht leicht, auch wenn sie aus der Vergangenheit noch so viele Erfolge aufweisen können. Das muß auch der rund 3.000 Mitglieder zählende Sport-Club Berlin (SCB) erfahren, der mit 51 Olympiasiegern und 107 Weltmeistern – an der Spitze Turn-As Andreas Wecker oder Schwimm-Nixe Franziska van Almsick – zum erfolgreichsten deutschen Sportverein avancierte. „Man hat uns geraten, wir sollten uns ärztlich untersuchen lassen“, meint SCB-Geschäftsführer Rainer Hägeholz mit verletztem Stolz. Weshalb man die ruhmreiche Medaillenschmiede aus Hohenschönhausen neuerdings für bekloppt hält, darüber redet Hägeholz nicht gerne. „Wollen Sie nicht etwas über unser Eiskunst-Schaulaufen an Weihnachten fragen?“ fleht er.
Doch wer in der Öffentlichkeit kegelt, darf sich nicht wundern, wenn mitgezählt wird. Und der SCB hat nun mal „alle neune“ anvisiert. Eine große supermoderne Mehrzweckhalle für rund 14.000 Zuschauer möchte der Klub auf seinem Standort im Sportforum bauen. Vizepräsident Klaus-Jürgen Jahn träumt schon von einer „futuristischen Arena“ an der Konrad-Wolf-Straße wie dem mondänen New Yorker Madison Square Garden oder der gigantischen „Köln-Arena“, die vom Baukonzern Philipp Holzmann errichtet wurde. Dessen Berliner Tochter-Unternehmen Imbau signalisierte bereits, an der Spree das nötige Know-how für einen Superdome zur Verfügung zu stellen.
Beim Senat, dem das 54 Hektar große Sportforum gehört, zeigt man sich überrascht vom Großprojekt im Nordosten der Stadt. „Ich finde es klasse, wenn sich ein Verein Gedanken macht“, erklärt Almuth Draeger, Sprecherin der Sportverwaltung, räumt aber den Bauplänen nur geringe Realisierungschancen ein: „Wir brauchen derzeit keine weitere Halle.“ Die zwei im Zuge der gescheiterten Olympia-Bewerbung errichteten Arenen in Prenzlauer Berg reichten derzeit vollends aus, meint auch Michael Bothe vom Landessportbund.
„Es muß ja nicht gleich morgen losgehen“, weist SCB-Geschäftsführer Hägeholz den Vorwurf einer unüberlegten Schnellschußaktion zurück. „Aber wenn Sie daran denken, welche Funktion die Hauptstadt in Zukunft übernehmen muß, dann eröffnet sich eine gute Perspektive für ein solches Projekt, das wir mit privaten Investoren finanzieren würden.“ Bauziel sei keineswegs ein weiteres „goldenes Zimmer für den Leistungssport“, sondern auch ein attraktives Betätigungsfeld für den florierenden Breiten- und Freizeitsport. Erst wenn man sich über das Konzept Klarheit verschafft habe, werde das Gespräch mit dem Land Berlin gesucht, erklärt Hägeholz, der insgesamt mit einer „Planungsphase von drei, vier Jahren“ rechnet, bis die Halle 2010 öffnen könnte.
Zwar leugnen auch die Skeptiker in Senat und LSB den Nutzen einer solchen Mammuthalle nicht grundsätzlich. „Möglicherweise kann man später über solche Visionen einmal nachdenken“, räumt die Sprecherin der Sportverwaltung ein. Kollege Bothe vom LSB mag nicht ausschließen, daß „in einigen Jahren Bedarf für eine Halle mit 15.000 Plätzen“ bestehen könnte. Aber die Erfahrung mit Plänen für Sportstätten, die sich als gigantische Luftschlösser entpuppten, mahnen zur Vorsicht.
So sollte nach dem Mauerfall auf dem Gelände des dafür niedergerissenen „Stadions der Weltjugend“ in Mitte eine 15.000-Zuschauer-Arena für Olympia 2000 entstehen. 1991 und 1997 gingen die Eishockey-Preußen mit großen Plänen für eine neue Heimat über dem S-Bahnhof Olympiastadion an die Öffentlichkeit. Berlins Politiker winkten jedoch ab, weil sie Konkurrenz fürchteten für die Olympiahallen oder die Vorhaben nicht sonderlich ausgegoren schienen. Und da ist schließlich auch noch das ungeklärte Schicksal der stillgelegten Deutschlandhalle, die gerade für 130.000 Mark winterfest gemacht wurde.
Womöglich schadet es den SCB-Machern gar nicht, wenn desillusionierte Kritiker sie für bekloppt halten. Ohne Dachschaden traut sich angesichts der Berliner Serie von Pleiten, Pech und Pannen wohl kaum noch ein Visionär in die Jetztzeit. Jürgen Schulz
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