■ Umweltminister Trittin fordert eine Sondersteuer auf Atomstrom
: Der Ankündiger

Für Insider ist die Steuer auf Atomstrom ein alter Hut. Doch das Timing, mit dem das Bundesumweltministerium die 1,5 Milliarden schwere Forderung wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat, ist perfekt: Alle verschnaufen über den Jahreswechsel, am 13. Januar treffen sich Regierung und Atomindustrie zu den ersten offiziellen AKW-Ausstiegsgesprächen, und danach beginnen die Verhandlungsrunden für die auf den 1. April vertagten Ökosteuer-Gesetze. Nach den eiligen Koalitionsverhandlungen hatte ja Brüssel signalisiert, daß die Ausnahmen für stromfressende Branchen dem EU-Wettbewerbsrecht widersprächen und so eine Vertagung erzwungen. In solch einem Umfeld wird die Forderung nach einer Besteuerung von Kernbrennstoffen auch richtig beachtet.

Sowohl beim Atomausstieg als auch bei den Energiesteuern will Umweltminister Jürgen Trittin rechtzeitig mit Forderungen Druck machen, damit nicht vergessen wird, was die Grünen eigentlich wollten und was an piesackenden Maßnahmen für AKW-Betreiber oder energieverschwendende Unternehmen sinnvoll und möglich wäre. Der Druck ist auch nötig, nachdem die Ökosteuer im Hauruck-Verfahren gescheitert ist. Denn die Industrie hat die nötige Neuausrichtung ihrer Lobby-Bataillone nach der Bundestagswahl inzwischen abgeschlossen und wird um jede Mark feilschen, so daß auch die letzten sinnvollen Reste der Ökosteuer unterzugehen drohen.

Aber Deutschlands oberster amtlicher Umweltschützer muß auch aufpassen, daß er sich nicht als Ankündigungsminister verschleißt. Wer immer nur Forderungen stellt, die vom Kanzler oder dem zuständigen Ressort – bei der Atomstromsteuer das Wirtschaftsministerium – abgelehnt werden, wird irgendwann nicht mehr ernstgenommen in den Chefetagen.

Doch derzeit gilt Trittin wohl noch nicht als potemkinscher Minister. Als er zu Weihnachten die bisher eher AKW-freundlichen Atomkommissionen der Bundesregierung überraschend auflöste, war der Protest aus Industrie, Kanzleramt und CDU/CSU sicher. Doch der AKW-Betreiber und Viag-Chef Wilhelm Simson soll beim vorweihnachtlichen Treffen im Kanzleramt schon als Kompromiß vorgeschlagen haben, die Kommissionen zu je einem Drittel mit Atomkritikern, -befürwortern und „unabhängigen Experten“ zu besetzen. Damals funktionierte die Drohung Trittins anscheinend noch. Doch die Kommissionen wirken sich nicht direkt in Mark und Pfennig auf die Bilanzen der AKW aus. Die Atomsteuer schon. Da wird der Widerstand härter. Reiner Metzger