: Schröder und Euro starten durch
■ Bundeskanzler sieht die Subventionen für ärmere EU-Mitglieder in Gefahr und mahnt Finanzreform an. Stoiber ermuntert ihn zu Veto. Verbraucher nehmen neue Währung gelassen
Frankfurt/Hamburg (dpa/AP/ rtr) – Kaum hat die deutsche EU- Ratspräsidentschaft begonnen, geht es auch schon los mit Forderungen, Warnungen und Drohungen. „Wir wollen für die Deutschen mehr Beitragsgerechtigkeit“, verkündete Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der es sich zum Ziel gesetzt hat, den Anteil Deutschlands am gemeinsamen Haushalt der EU so bald wie möglich zu verringern. Wenn die Finanzreform nicht bis zum Sommer unter Dach und Fach sei, seien auch die Subventionen für die ärmeren EU-Mitglieder gefährdet. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) setzte noch einen drauf und verlangte, daß Schröder auch eine Blockade sämtlicher Brüsseler Programme in Betracht ziehen müsse, wenn die anderen Länder nicht mitziehen würden. Gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel sprach sich Schröder für einen Kompromiß aus, der „zwischen 2000 und 2006 die Kurve der deutschen Nettozahlungen allmählich nach unten und nicht weiter nach oben“ gehen lasse – derzeit zahlt Deutschland jährlich etwa 20 Milliarden Mark mehr in die Brüsseler Kassen, als es an Subventionen zurückerhält. Damit ist es größter Nettozahler unter den 15 Mitgliedsstaaten.
Ein neues Konzept müsse sowohl eine Reform der EU-Agrarpolitik beinhalten als auch dafür sorgen, daß die realen Ausgaben begrenzt würden, so Schröder. Der gemeinsame Haushalt dürfe nicht schneller wachsen als der Durchschnitt sämtlicher Einzelhaushalte. Wenn die Reform nicht gelinge, drohe den ärmeren EU-Ländern der Verlust der Hilfen aus den Kohäsions- und Strukturfonds. Er rechne allerdings nicht damit, daß es bereits im Vorfeld des entscheidenden Gipfels Ende März in Brüssel zu einer Einigung komme, obwohl auch der Terminplan für die geplante EU-Osterweiterung von der Neuregelung der Finanzen abhänge. „Derart schwierige Beschlüsse kommen nur unter großem Druck zustande“, sagte er.
Das gemeinsame Währungsprojekt der EU, der Euro, hat seinen ersten Testlauf im Handel dagegen am Wochenende eher unauffällig hinter sich gebracht. Nach Angaben des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) nutzten die Verbraucher die neue Währung, die vorläufig nur als bargeldloses Zahlungsmittel einsetzbar ist, bislang kaum. Ähnlich vorsichtig ging es an der Börse im indischen Bombay zu, an dem der Euro am Neujahrstag seinen ersten Auftritt auf einem internationalen Finanzmarkt hinlegte. Es kam lediglich zu kleineren Käufen, der erste Kurs lag bei knapp 1,17 Dollar pro Euro.
Den echten Härtetest wird der heutige Montag darstellen, an dem nicht nur an den internationalen Devisen-, sondern auch an den Renten- und Aktienmärkten das Euro-Zeitalter beginnt. Dort werden alle Werte künftig ausschließlich in Euro angegeben. Man sei gerüstet, hieß es am Sonntag in den europäischen Finanzzentren. Die Börsen in London, Paris und Frankfurt meldeten ebenso wie die Europäische Zentralbank in Frankfurt, die die Umstellung gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken überwacht, daß „alles nach Plan und ohne Komplikationen“ verlaufe.
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