piwik no script img

Notbremse für Euro-Risiken

Finnland will seinen Arbeitsmarkt gegen die neue Währungsunion durch Sozialfonds absichern. Bosse zahlen nach Konjunktur  ■ Von Reinhard Wolff

Mit dem Beginn des Euro- Zeitalters fiel in Finnland der Startschuß für eine europaweite Premiere: die Errichtung von Fonds, die einen Teil der mit der Währungsunion verbundenen speziellen Risiken für den einheimischen Arbeitsmarkt abfangen sollen. Mit „Bufferfonds“ will man die Möglichkeit einer Art „inneren Abwertungsnotbremse“ schaffen, nachdem mit Einführung der gemeinsamen Währung das Mittel wegfällt, über das die finnische Zentralbank in der Vergangenheit gern Konjunkturkrisen abfederte: ein Floaten oder eine Abwertung der Finnmark.

Die „Bufferfonds“ waren der Preis des finnischen Gewerkschaftsdachverbandes FFC, um die Regierung bei der Teilnahme des Landes an der Währungsunion EWU zu unterstützen: eine Art Beschäftigungsgarantie, welche die Arbeitsplätze über ein Konjunkturtal retten soll, die bislang durch Währungsmanipulationen erhalten wurden. Finnland hatte bisher ein System von Arbeitgeberabgaben für Arbeitslosen- und Rentenversicherung. In Zeiten niedriger Arbeitslosigkeit konnte der Arbeitgeberanteil in der Vergangenheit auf bis zu 0,6 Prozent sinken, um sich auf 6 Prozent zu verzehnfachen, als die Arbeitslosenrate vor einigen Jahren auf 20 Prozent hochgeschnellt war: Eine sich hochschaukelnde Wechselwirkung zwischen steigenden Arbeitskosten und Arbeitslosigkeit, die in dieser Konjunkturkrise 50.000 zusätzliche Jobs kostete.

Mit dem Eurozeitalter und den gleichzeitig eingerichteten Fonds soll eine gerade entgegengesetzte Wechselwirkung erreicht werden. Sinkt die Arbeitslosigkeit, steigen die Arbeitgeberabgaben – und umgekehrt. „Wir wollten eine System von Lohnkostenflexibilität, nicht Lohnflexibilität schaffen“, erklärt Peter Boldt, Chefökonom beim FFC. Nicht die Arbeitgeber, sondern die Gewerkschaften sind die treibende Kraft hinter dieser Initiative zur konjunkturabhängigen Entlastung der Arbeitskosten: „Wir fürchten, daß der Arbeitsmarkt der hauptsächliche Konjunkturregulator wird, und wollen deshalb eine Arznei für die schlimmsten Auswüchse.“ Die Verhandlungen mit den Arbeitgebern waren mühsam, denn „über Fonds Konjunkturschwankungen abzufedern ist eigentlich kein Primärinteresse der Wirtschaft“, so Boldt: „Doch sie verstanden dann, daß das System auch für sie von Vorteil war: In Hochkonjunkturzeiten pressen extrem gute Gewinnmargen die Löhne hoch und gefährden die Preisstabilität. Kappt man das oben ein Stück, vermindert man auch den Lohnsteigerungstakt in der Hochkonjunktur und hält die Kaufkraft im Konjunkturtal länger aufrecht.“

1997 einigten sich Regierung, Gewerkschaften und Arbeitnehmer auf ein Fondsmodell für die Arbeitslosen- und Rentenversicherung sowie für die Betriebsrenten. Jeden Herbst legen die Beteiligten nach der Wirtschaftslage und der Konjunkturaussichten die Abgabenhöhe für das kommende Jahr fest. Zwischen 1999 und 2003 sollen die Fonds vollständig aufgebaut werden und dann rund 10 Milliarden Finnmark (umgerechnet etwa drei Milliarden Mark) umfassen. In einer Wirtschaftskrise sollen sie ganz gezielt eingesetzt werden. Ist beispielsweise die Forstwirtschaft besonders betroffen, können sich die Tarifparteien auf spezielle Entlastungen für diese Branche einigen.

Umstritten ist allerdings, wie die Fonds in der Praxis wirken, sollte Finnland eine von der Rest-EU unabhängige Konjunktur- oder Branchenschwäche erleiden. Der Arbeitgeberverband hält sie für zu klein, als daß sie eine umfassende Rolle in einer derartigen Krise spielen könnten. WirtschaftswissenschaftlerInnen trauen ihnen nach vollem Ausbau immerhin einen kostensenkenden Effekt zu, der einer Währungsabwertung von 10 Prozent entspricht. Peter Boldt hat gar einen 15prozentigen Abwertungseffekt berechnet. „Das löst keine Probleme, gibt aber eine Verschnaufpause und die Möglichkeit weicherer Landung.“

Laut Boldt geben sich bei der FFC mittlerweile ausländische Delegationen die Klinke in die Hand. Die „Bufferfonds“ hätten Interesse in nahezu allen EU-Ländern geweckt. Lars Calmberg, führender schwedischer EWU-Forscher, hebt einerseits die möglicherweise zu schwache Basis der Fonds – lediglich ein Prozent des finnischen Bruttonationalprodukts – hervor, hält das Modell einer solchen „inneren Abwertung“ aber grundsätzlich für äußerst interessant: „Vor allem, weil die Fonds nicht Teil des Staatshaushaltes sind. Sie sind unabhängig und kommen nicht in Konflikt zur maximal dreiprozentigen EU-Konvergenzgrenze beim Budgetdefizit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen