Rauhe Kerle von Down under

■ Man möchte ihnen nicht im Dunkeln begegnen: Die australischen „Tap Dogs“ steppen, raufen und spritzen im Pier 2

Sydneys Opernhaus muß tatsächlich ein riesiger Kuhstall sein und das nicht allzu weit entfernte australische Newcastle eine Gefangenenkolonie mit Stahlwerk zur Beschäftigungstherapie. Denn scheinbar ist in „Down under“ trotz aller Kultur- und Künstler-kommt-zurück-in-die-Heimat-Programme scheinbar alles geblieben, wie es in Zeiten der europäischen Besiedlung durch Häftlinge und erste Siedler gewesen ist. Allein Steppen haben die Boys from Newcastle, Australia, inzwischen gelernt. Sechs von ihnen und manchmal sogar zweimal sechs schickt man als „Tap Dogs“ auf Welttournee, zu deren Stationen seit Dienstag für zwei Wochen auch das Pier 2 in Bremen zählt.

Mit der hochglänzenden bis kitschigen Virtuosität der irischen StepperInnen „Lord of the Dance“ und „Riverdance“ haben diese tourenden Tänzer gerade mal die Tanzsparte gemeinsam. Die Performance der sechs „Tap Dogs“ mit ihrem Boygroup-Outfit aus Jeans und karierten Hemden erinnert eher an die Müll-PercussionistInnen von „Stomp“: Es geht laut zu auf der variablen und immer wieder variierten Metallplatten- und Baugerüstbühne. Und schon herumgesprochen hat sich, daß die ZuschauerInnen in den ersten Reihen mit einigen wässrigen Duschen rechnen müssen.

Die „Tap Dogs“ geben sich halt als echte Kerle, harte Burschen, Machos. Schon gleich nach einer kurzen und spaßigen Ouvertüre aus einem Solostepp und fünf unter einer hängenden Platte tanzenden (und ulkenden und sich anpissenden) Beinpaaren fängt das Gebalge, Geprotze und Geraufe an. Hier ein kleiner Nackenschlag, da ein Tritt auf die Finger und dort ein kurzer Ellbogencheck: Man möchte diesen Burschen nicht gerade im Dunkeln begegnen (obwohl sie „in echt“ bestimmt ganz lieb sind und fispelnde Stimmen haben).

Zum Glück ist die Bühne hell erleuchtet und bieten die Stuhlreihen durch eine zusätzliche Tribüne viel Sicht auf das Geschehen. Und darin besteppen die sechs Men at fight alles, was ihnen unter die stahlbeschlagenen Schuhe kommt. Einmal sind es sechs Bodenteile, die sich wie die Teile einer Klappbrücke zu schiefen Ebenen öffnen. Einmal ist es eine Platte hoch oben, auf der einer der Tänzer am Seil befestigt kopfüber steppt. Und einmal sind es sechs Electric drums, die dem an Percussion, E-Gitarre und Synthesizer tätigen Musikerduo oben in den Aufbauten eine kurze Pause verschaffen, weil die Tänzer steppend Schlagzeug spielen.

Etwas eintönig plakativ sind nur die Klischeetypen der ewig raufenden, ewig muskelprotzenden, ewig nach Anerkennung schielenden Prolls. Abwechslungsreicher sind schon die Tempowechsel in der 1995 vom Choreographen Dein Perry erfundenen Show, die von einer relativ ruhigen Vortänzer-Nachmacher-Nummer bis zur trommelfeuerhaften Bearbeitung eines Baugerüstes reicht. Und richtig spannend ist der Tanz der „Tap Dogs“, wenn sich in dem rhythmisch exakten Stakkato der Schritte die ganze Bühne in ein einziges Schlagzeug verwandelt. Denn bei aller Virtuosität hat die rund 90minütige Show den Charme des nicht ganz Perfekten. Es rinnt echter Schweiß. Und die Wasserkühlung, die sich die Tänzer am Ende gönnen und die auch die ersten Reihen des Publikums erreicht, haben sich die Aktiven da oben redlich verdient. Vielleicht misten ihre Kinder ja eines Tages den großen Kuhstall in Sydney aus und eröffnen eine Oper – mit steppendem Ballett.

Christoph Köster

Die „Tap Dogs“ treten bis zum 17. Januar täglich außer Montag im Pier 2 auf