: Wie Dagobert in Münzen wühlen
■ Der Umbau als Skulptur: Die Galerie Gebauer zeigt Raumarbeiten von Michel François, das Institut Français und die Galerie Paula Böttcher zeigen Jacques Juliens Sportstücke
Die Frösche hört man schon auf der Straße aus einem Megaphon quaken. In der Galerie selbst fühlt man sich dann wie an einem Tümpel. Dabei hat Michel François die Räume als verschlungenen Pfad zwischen Tropenstation, Guerillalager und Hackerbüro eingerichtet. Mit Bergen von Patronenhülsen, Pillen und herumliegenden Geldstücken inszeniert der französische Künstler ein Raumgefüge, das die einzelnen Posten fließend ineinander zu schieben scheint.
Eine Materialsammlung, die vom Boden über die Wände bis auf den Schreibtisch des Galeristen wuchert – kindlich, anarchisch, ausufernd. Was auf der Berlin Biennale im Dirty-Disco-Kabinett von Jonathan Meese noch wie ein Museum privater Obsessionen aussah, wird nun zu einem Bindeglied zwischen individueller Wunschproduktion und abstrakten gesellschaftlichen Zeichen.
François versteht seine Arbeit als „Grundlagenforschung in der Zwischenwelt von Intellekt und Sinnlichkeit“. Zugleich wird in der Überformung und Neugestaltung die Galerie selbst zu einer Art lebendem Organismus, der in seiner chaotischen Form ein wenig die Welt der globalisierten Ströme widerspiegelt. Da ist im ersten Raum etwa das Video eines Straßenmusikanten, der auf einem Billigsynthie beliebte Beguine-Melodien zu spielen versucht. Minutenlang hört man allerdings nichts, sondern sieht nur Hände an Knöpfen drehen. Mit dem ersten Ton allerdings kommen auch schon Passanten, um ihm etwas Geld zustecken.
Dem Monitor zur Seite hängt eine wandgroße „Warteliste“, in die sich alle Gäste eintragen können. Die assoziative Verbindung von Situation und Symbol gehört zur Kommunikation: Indem François die Hemmschwelle gegenüber den Objekten der Kunst senkt, kommen die Dinge dem Betrachter wieder nahe. Mal möchte man wie Dagobert in den Münzen wühlen, mal bloß bei einem zweiten Film zuschauen, wie sich ein üppiger Baum in einer Pfütze mit jedem Regentropfen verzerrt. Im letzten Raum steht man angewurzelt vor einem All-Over aus Computern, Schreibmaschinen und gewaltigen Papierstapeln, über die Dias von Autobahnen projiziert sind. Dann ist man sozusagen in der zentralen Schaltstelle angekommen, von der aus sich die ganze Installation strukturiert. Auch Jacques Julien setzt auf die Verschiebung, die eintritt, wenn öffentliche Zeichen in eine intimere Atmosphäre übertragen werden. Der 1969 geborene Objektkünstler verfremdet Sportgeräte, die allesamt an Freizeitanlagen im sozialen Wohnungsbau erinnern. Tischtennisplatten, Fußballtore, Basketballkörbe.
In der Galerie Paula Böttcher wurden zwei verbogene Tore mit grünem Netz installiert, die den hell erleuchteten Raum komplett ausfüllen. Was sonst auf weiter Flur den entscheidenden Orientierungspunkt beim Spiel darstellt, dient nun als sperriges Objekt. Julien sieht in diesem Gegensatz den Umgang mit Regeln und Gesetzen widergespiegelt, auf die sich alle einlassen, um am Ende zu gewinnen. Für seine Installation im Institut Français allerdings hat die Tischtennisplatte eine ganz praktische Funktion: Dort hat Julien kleine Schubladen aus dem Sperrholz gesägt. So kann der eifrige Büroangestellte auch beim Pausensport seine Akten bei sich tragen. Harald Fricke
Michel François: bureau augmenté. Bis 16.1., Di–Sa 12–18 Uhr, Galerie Gebauer, Torstr. 220.
Jacques Julien: Elephant's Cemetery, bis 30.1., Mi–Fr 14–19, Sa 12–17 Uhr, Galerie Paula Böttcher, Kleine Hamburger Straße 15; bis 12.1., Mo–Do 9–19, Fr 14–17 Uhr, Institut Français, Kurfürstendamm 211
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