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Volksbegehren vor dem Scheitern

■ Parlamentsverkleinerung: AfB legt ihr Volksbegehren vorerst offenbar auf Eis. Um die nötigen 50.000 Unterschriften zu sammeln, fehlt es der Wählergemeinschaft an Geld und Mitarbeitern

Andreas Lojewski, der frischgebackene Spitzenkandidat der Wählerinitiative Arbeit für Bremen (AfB), hat ein Problem. Begleitet vom Blitzgewitter der Medien hatte die AfB im Oktober den Meldestellen in Bremen und Bremerhaven 5.800 Unterschriften für die Verkleinerung des Parlaments übergeben. Die erste Hürde für ein Volksbegehren, mit dem erreicht werden soll, daß in der Bürgerschaft ab dem Jahr 2003 nur noch 75 statt 100 Abgeordnete sitzen, war geschafft. Doch jetzt droht das von der AfB initiierte Volksbegehren zu scheitern. Obwohl die Meldestellen inzwischen bestätigt haben, daß die Wählerinitiative tatsächlich mehr als 5.000 korrekte Unterschriften gesammelt hat, hat die AfB dem Landeswahlleiter die Listen noch immer nicht vorgelegt. Damit liegt das Verfahren auf Eis. Denn erst wenn die Listen vom Landeswahlleiter abgesegnet worden sind, kann der Senat über die Zulassung des Volksbegehrens entscheiden. Im Falle einer Zulassung müßte die AfB binnen drei Monaten 55.000 Unterschriften sammeln.

Ob es der kleinen AfB allerdings gelingt, so viele Unterschriften zusammenzukriegen, ist derzeit fraglich. Lojewski hat deshalb einen Brief an Bürgermeister Henning Scherf (SPD) geschrieben. 700 Unterschriften müßten täglich gesammelt werden, klagt er. Die Zeit von drei Monaten sei dafür allerdings „unverhältnismäßig kurz“. Lojewski bittet Scherf um „ein faires Verfahren“ und kündigt an, daß die AfB-Vertrauenleute das Gespräch mit ihm suchen würden.

Was das heißen soll, weiß Senatssprecher Klaus Sondergeld nicht. „Das Verfahren ist gesetzlich festgelegt. Da gibt es nichts zu verhandeln.“ Was die Vertrauenleute von Scherf wollen, liegt auf der Hand. Scherf soll der Wählerinitiative eine Blamage ersparen. Wenn die AfB die Unterschriften jetzt beim Landeswahlleiter einreicht und der Senat zügig entscheidet, muß die Wählerinitiative sofort mit ihrer Sammlung beginnen. Und daran hat sie kein Interesse. Schon die erste Sammlung von 5.000 Unterschriften ging fast über die Kraft der Wählerinitiative, die derzeit etwa 450 Mitglieder im Land Bremen zählt. 40 bis 50 Helfer waren im Einsatz. In Bremerhaven unterschrieben nur etwa 200 Bürger. Zuletzt wurde sogar eine Studentin angeheuert, die Fahrgäste an Haltestellen ermunterte, ihren Kugelschreiber zu zücken. Für eine neue Unterschriftensammlung fehlten der AfB das Geld und die Mitarbeiter, verraten Insider. Um diese Misere zu vertuschen, wolle Lojewski das Verfahren hinauszögern. Im Juni, also in knapp sechs Monaten, sind Bürgerschaftswahlen. Drei Monate hat die AfB Zeit zum Sammeln. Je später sie damit beginnt, desto besser. Im Wahlkampf könnte die AfB das Thema mit der Unterschriftensammlung noch einmal populistisch ausschlachten und auf Stimmenfang gehen. Wenn sie ihr Ziel nicht erreicht, würde das nach der Wahl nicht mehr auffallen. Außerdem haben sich inzwischen ohnehin alle Fraktionen für eine Parlamentsverkleinerung ausgesprochen.

Daß taktische Überlegungen für den Zeitpunkt der Unterschriftensammlung eine Rolle spielen, räumt Lojewski ein. Er wolle das Verfahren „nicht aus der Hand geben“. Mit Spenden will er die Sammlung finanzieren. Die Wahlen würden sich eher positiv auswirken. Lojewski: „Wir müssen sehen, daß wir möglichst viele Leute erreichen.“ Doch Unterschriftensammlungen in der Nähe von Wahllokalen sind verboten. kes

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