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Die Notbremse gegen Skinheads gezogen

■ Beim Neujahrsempfang dürfen heute diejenigen Bundespräsident Herzog die Hand schütteln, die sich ums Gemeinwohl verdient gemacht haben. Auch Almut Loycke-Sievernich

Die beiden Skinheads mit dem Kampfhund kamen näher. „Sieg Heil“ grölten die Glatzköpfe und pöbelten eine Gruppe von sechs Schwarzen an, die verängstigt zurückwichen. Doch die Fahrgäste in der vollbesetzten Berliner S-Bahn rührten sich nicht. Dann tat Almut Loycke-Sievernich genau das, wovon die meisten hoffen, es in dem Falle auch zu tun. Die 49jährige rief den Randalierern zu, sie sollten die Männer in Ruhe lassen. Und da dies nicht fruchtete, zog sie die Notbremse. Als die S-Bahn am nächsten Bahnhof hielt, nahmen die Skinheads Reißaus. Wenig später wurden sie festgenommen.

Für ihre mutige Tat gehört die Ethnologin zum erlauchten Kreis von rund 60 Bürgern und Bürgerinnen, die wegen ihrer Verdienste um das Gemeinwohl zum heutigen Neujahrsempfang von Bundespräsident Roman Herzog für Repräsentanten des öffentlichen Lebens geladen wurden, neben Spitzenvertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. „Das finde ich fast übertrieben“, sagt Almut Loycke-Sievernich. „Das war doch ganz spontan. Mehr aus Wut.“

Aber vielleicht wird die energische Frau beim Empfang den führenden Köpfen der Republik das ins Gesicht sagen, was sie ihnen seit langem sagen will. „Wenn die Politiker schon nach den ausländerfeindlichen Krawallen von Rostock und Hoyerswerda entschiedener aufgetreten wären, dann wäre es gar nicht erst so weit gekommen.“ So weit, daß sie sich kürzlich nicht getraut habe, mit ihrem Besuch aus Kenia einen Ausflug ins brandenburgische Umland zu machen.

Ganz in der Nähe von Almut Loycke-Sievernich wird Margret Winkel am Bundespräsidenten vorbeidefilieren. Die Hausfrau aus der Hunsrück-Gemeinde Morbach-Bischofsdrohn hätte das Einladungsschreiben beinahe weggeworfen. „Wir wollten das schon in den Ofen schmeißen“, gesteht die 49jährige. Schließlich kämen doch immer Werbebriefe, bei denen man angeblich 10.000 Mark gewinnen kann, aber nachher keinen Pfennig sieht.

Vor laufenden Kameras werden sie und ihr Ehemann, der 56jährige Straßenwärter Siegbert Winkel, Herzog die Hand schütteln. Ein bißchen nervös ist sie schon, gesteht Margret Winkel. Ihre Hauptsorge aber ist, „ob die uns wohl abholen“. Schließlich sei Berlin eine große Stadt, und der Morbacher Ortsteil Bischofsdrohn hat gerade mal rund 500 Einwohner.

Das Ehepaar wird für sein ehrenamtliches Engagement für Bosnien-Herzegowina geehrt. Bei Kriegsausbruch haben die Winkels während einer Pilgerfahrt in den Marienwallfahrtsort Medjugorje das Elend der Menschen gesehen. Seitdem sammeln sie Geld, Kleidung und andere nützliche Dinge für notleidende Bosnier.

Jeder der rund 60 Bundesbürger, die heute an Roman Herzog und seiner Frau Christiane vorbeiziehen, hat eine bemerkenswerte Geschichte zu erzählen: Da ist der Düsseldorfer Dieter Schlöder. Er wurde zum Lebensretter, als er seinen Wagen als „Bremswand“ einsetzte, um ein Auto zu stoppen, dessen Fahrer einen Schwächeanfall erlitten hatte. Da ist Werner Simsohn, der die Geschichte der Juden in Gera dokumentierte. Und da ist Arnold Schön, der seit 40 Jahren als ehrenamtlicher Schiedsrichter die Fußballspiele im Nord-Saar-Kreis leitet. Nikolaus Sedelmeier

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