Einen schlechten Roman gekürzt

■ Wie man einen Theodor W. Adorno-Ähnlichkeitswettbewerb gewinnt

Die Hamburger Vorausscheidung für den zweiten Adorno-Ähnlichkeitswettbewerb, veranstaltet von der Jungen Welt und der Titanic, fand heuer im Vereinsheim des FC St. Pauli statt. Hier hatte der Moderator die ersten Lacher auf seiner Seite, als er von der Verlegung der Austragung vom Stadion ins Vereinsheim sprach. In der Folge lasen Autoren und zwei Autorinnen besagter Printerzeugnisse jeweils ein bis ein paar kurze Texte, um sich zu qualifizieren.

Fritz Tietz skizzierte eine Behindertenolympiade mit Vereinsmitgliedern des ehemaligen Jugoslawien. Tietz setzte im längsten Text der Veranstaltung die Tradition fort, die Lächerlichkeit und nationalistische Überzogenheit von Sport im Allgemeinen herauszustellen. Dabei gelang es ihm tatsächlich, für seine goldmedaillenträchtige Imaginationskraft sich den Nabel zu pinseln, bis die Andeutung durchkam, daß Sport spätestens seit Berlin 1936 eine den Rechten überantwortete Angelegenheit bezeichnet.

Während andere den Verstand schon beim Wort „Sport“ abgeben, zeigte ein Linker, wie er sich in jeder beliebigen Halbzeit an seine Kenntnisse aus der Grotesken-, Skurrilitäts- oder auch der neuen Frankfurter Schule erinnert und damit dem Gegner beikommt. Selbst wenn dafür der gehaßte Lacher, „der im Hals stecken bleibt“ nochmal aus der eingemotteten Unterhaltungs-Trickkiste geholt werden muß.

Knud Kohr verband in der Geschichte 17 Tage mit Heinz die Lakonie des Regisseurs Detlef Buck mit einer anschaulichen Sorte Bodenschollenpatriotismus zu einer Figur. „Heinz“ versteht wenig außer seiner Arbeit mit den Rindviechern. Kohr legte eine Proletkult-Parodie hin, zu der jeder ohne Mühe Abstand halten konnte. Es wurde kräftig gelacht.

Horst Tomayer gab sprachlich zurück, was ihm das Land unbestritten ungerechtfertigt antat, als es ihm mit einem Bundespräsidentschaftskandidaten Heitmann oder Feierlichkeiten zum 3. Oktober näherrückte. Wenn das inhaltliche Bestehen oder Fortkommen nicht gelingt, gibt es immer noch die Möglichkeit, sich mit sprachästhetischer Protzigkeit die eigenen Wunden zu lecken. Bei dem Satzbau- und Wortfindungszirkus, den Tomayer aufführte, fühlte man sich an die Fernsehbilder erinnert, die einige Mitglieder des SDS zeigten, wie sie die Tagung der Gruppe 47 störten, weil diese nur noch „schöne Sätze“ diskutiere.

Susanne Fischer kürzte Christian Krachts Roman Faserland auf drei Seiten zusammen und gewann damit die Veranstaltung, die mit dem Finale in Frankfurt zum Abschluß kommen wird.

Kristof Schreuf