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Verschickung ins Folterland

■ Seit Sonntag sind 13 Menschen im Abschiebeknast Glasmoor im Hungerstreik Hamburg schiebt Kurden weiterhin in die Türkei ab Von Patricia Faller

Elf Kurden und zwei Iraner haben am Sonntag abend im Abschiebegefängnis Glasmoor einen Hungerstreik begonnen. Das berichteten Flüchtlingsorganisationen gestern direkt vor dem Knast. Die Justizbehörde spricht dagegen von neun Menschen, die die Nahrungsaufnahme verweigerten.

„In Glasmoor herrscht Angst, da Hamburg in den vergangenen Tagen allein rund 20 Kurden in den Folterstaat Türkei abgeschoben haben soll“, erklärte Frank Eyssen vom Büro für notwendige Einmischungen. Aus Solidarität mit den von Abschiebung bedrohten Flüchtlingen demonstrierten gestern rund 50 Mitglieder von Menschenrechtsorganisationen in Glasmoor. Sie forderten: „Weg mit den Knästen – Freiheit für alle Gefangenen.“

„Trotz der Berichte verschiedenster Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international, die nachweisen, daß den Kurden in der gesamten Türkei Gefängnis, Folter und Tod drohen, fährt Hamburg einen Kurs, der Abschiebungen zum Todeszug werden läßt“, so eine Vertreterin des Antirassistischen Telefons.

Die Folterberichte eines Mandanten schilderte der Anwalt Ernst Medecke, der sechs der Kurden, die in Glasmoor festgehalten werden, vertritt. Sein Mandant sei in Istanbul 15 Tage im Gefängis festgehalten worden, ohne daß seine Angehörigen informiert worden seien. Er sei verprügelt worden und habe barfuß über einen Nagelbrettfußboden gehen müssen. Wegen angeblicher Unterstützung der PKK sei er schließlich zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden. Nach Deutschland hätte er fliehen können, weil einige Beamte für „Geld empfänglich“ gewesen seien.

Ungeachtet der Warnungen der Menschenrechtsgruppen war erst am Montag wieder ein Kurde aus Hamburg in die Türkei ausgewiesen worden. Er konnte gerade noch vom Flughafen aus bei seinem Anwalt anrufen, um ihn darüber zu informieren.

Dorothea Zirkel von der Glasmoorgruppe im Flüchtlingsrat, die einen Flüchtling kurz vor der Kundgebung besucht hatte, sagte, daß die Anstaltsleitung die Hungerstreikenden noch nicht angehört hätte. Die Flüchtlinge, die nur Wasser und Salz zu sich nähmen, forderten ihre sofortige Haftentlassung, keine Abschiebung und einen sofortiger Abschiebestopp in die Türkei.

Die Variante der Anstaltsleitung lautete, die Hungerstreikenden hätten bisher weder Gründe noch Forderungen genannt. Nachdem am Montag in der Ausländerbehörde kein Mitarbeiter abkömmlich gewesen sei, um in Glasmoor mit den Flüchtlingen zu sprechen, soll das heute nachgeholt werden, so die Sprecherin der Justizbehörde, Sabine Westphalen.

Die Menschenrechtsorganisationen kündigten weitere Aktionen gegen Abschiebeknäste an. Für Donnerstag 13 Uhr und Samstag nachmittag sind weitere Kundgebungen vor dem Abschiebegefängnis geplant. Treffpunkt ist beim Haus für alle, Amandastraße. Am 11. November erinnert eine große Demonstration an den Jahrestag einer Aktion von 40 Flüchtlingen, die sich aus Protest gegen die Inhaftierung geweigert hatten, in ihre Zellen zurückzukehren.

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