: Kein Zuckerschlecken
■ Im Öko-Test: Süßstoffe erleichtern bestenfalls das Gewissen / Beim Abnehmen helfen sie nicht, gesundheitliche Unbedenklichkeit nicht erwiesen
„Wir sind sehr erstaunt über Ihren Artikel Dick durch Diätsüße?“, schrieb uns das Nutra Sweet Informationsbüro. „Ihre Aussagen sind höchst irreführend und dienen lediglich der Panikmache.“ Das war vor vier Jahren nach Veröffentlichung des ÖKO-TESTs Süßstoffe, in dem fast alle Marken nicht zu empfehlen waren.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Mehrheit der 38 von uns geprüften Produkte mit Saccharin, Cyclamat, Aspartam und Acesulfam K bekamen wieder Minuspunkte. So berichteten wir 1991 über die Erkenntnisse der englischen Wissenschaftler Peter Rogers und John Blundell. Sie hatten herausgefunden, daß Versuchspersonen, die zum Frühstück Joghurt mit Süßstoff essen, über den Tag 200 Kalorien mehr verputzen als diejenigen, die zu zuckrigem oder naturbelassenem Joghurt greifen.
Nach Bekanntwerden wurden eilig verschiedene Literaturübersichten erstellt. In der Hälfte der Arbeiten, die etwa der Frankfurter Biochemiker Professor Harald Förster zusammentrug, wird den süßen Stoffen ein Nutzen beim Abnehmen bescheinigt. Ebensoviele Arbeiten zeigen jedoch, daß eingesparte Kalorien wieder angefuttert werden, daß Süßstoffe stärker den Magen knurren lassen und die Lust auf Süßes steigern können, oder daß sich Männer anders als Frauen verhalten.
In der Zeitschrift des Internationalen Süßstoffverbandes, Sweetener Update, resümiert Förster dennoch: „Süßstoffe sind eine sinnvolle Hilfe, Kalorien zu sparen, ohne auf süßen Genuß verzichten zu müssen.“
Vor vier Jahren äußerten wir zudem den Verdacht, daß Aspartam geeignet sei, ein „Suchtverhalten auszulösen“. Denn im Körper wird Aspartam zu dem Alkohol Methanol und zu Formaldehyd abgebaut, das sich mit Nahrungsbestandteilen zu sogenannten Tetrahydro-Isochinolinen verbinden kann. Diese Stoffe wirken wie Tranquilizer, die als suchtmachende Stoffe bekannt sind.
Nach unserer Veröffentlichung gaben die Anbieter von Nutra Sweet ein Gutachten zur Bedeutung von Aspartam in Auftrag. Darin kommt der bereits bekannte Professor Förster zu dem Schluß, daß sich „die Theorie über die durch Methanol erzeugte Alkoholabhängigkeit auf der Basis der Realität als grober Unfug entpuppt.“ So seien die Methanolmengen aus Aspartam zu gering, um eine Wirkung hervorzurufen. Bekanntlich ist für die Entstehung der Alkoholsucht jedoch nicht nur die Menge von Bedeutung, sondern vor allem der chronische Genuß.
Auch Saccharin bekommt Minuspunkte. Denn es erzeugte im Tierversuch Blasenkrebs, regte zu vermehrtem Zellwachstum an und veränderte das Erbgut. In anderen Versuchen konnten keine nachteiligen Nebenwirkungen ausgemacht werden.
Cyclamat ist in den USA sogar verboten, weil es wie Saccharin im Tierversuch zu Blasenkrebs führte. Bei reinen Cyclamat-Produkten wie Assugrin feinsüß besteht zudem die Gefahr der Überdosierung. Eine 60 Kilogramm schwere Frau hat bereits durch den Genuß von zehn „feinsüßen“ Würfelchen den erlaubten Wert für den Verzehr überschritten – das entspricht elf Würfeln Zucker.
Über den vierten im Bunde, Acesulfam K, wurden bislang keine negativen Nebenwirkungen veröffentlicht. Die Weltgesundheitsorganisation berufe sich bei der Prüfung überwiegend „auf Berichte der Hoechst AG, die der Öffentlichkeit nicht zugänglich sind“, kritisiert der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer.
Süßstoffe sind überflüssig. Nicht nur zum Abnehmen, auch für Diabetiker. Für sie war Zucker bislang tabu, die synthetischen Süßen eine Alternative. Heute empfehlen Fachleute ihnen im Prinzip die gleiche Ernährung wie Gesunden. Der Zuckeranteil sollte jedoch nicht mehr als zehn Prozent der täglichen Kalorienzufuhr betragen. ÖTM
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