■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Flagge zeigen – Anker werfen
Der Schrotthändler und SPD-Spezi Erwin Meyer ist tief in seinem Herzen jung geblieben – vorbildlich. Der Mann hält sich nämlich trotz fortschreitenden Alters noch immer für einen frechen, kleinen Jungen. Oder genauer: für einen „Bremer Butjer aus Pusdorf“, wie ihn eine Stiftungstafel auszeichnet. Warum dies aber ausreicht, um das Bremer Stadtbild um einen Anker der US Navy zu bereichern – andersgesinnte Menschen sprechen auch von verhunzen – ist nicht überliefert. Fest steht nur, daß bei der Baubehörde im vergangenen Jahr ein Antrag des Schrotthändlers einging, weil er offenbar das maritime Flair Bremens bereichern wollte. Ganz im Sinne von Häfensenator Uwe Beckmeyer (ebenfalls SPD-Spezi).
Bei der Baubehörde (mit CDU-Coach Bernt Schulte an der Spitze) lief es den Verantwortlichen jedoch eiskalt den Rücken runter. Die Stadtbildexperten hatten heftigste Zahnschmerzen mit dem tonnenschweren Monstrum der amerikanischen Kriegsmarine. Für den anvisierten Bredenplatz gegenüber der Martinikirche verweigerte das Bauressort darum die Genehmigung. Die Begründung: Auf dem Platz steht bereits eine Balkenhol-Skulptur – auch „Standbild des einsamen Beckmeyers“ genannt.
Aber eben jener Beckmeyer bekam Wind von dem Vorhaben seines Spezi-Schrotthändlers. Und bekanntlich will der Häfensenator trotz seines Ressortumzugs nach Bremerhaven auch weiterhin in der Hansestadt maritime Flagge zeigen. Warum sich also nicht gegen Ressortabwicklungsgelüste der Senatskollegen – Häfen soll mit Wirtschaft fusionieren – und gegen Konkurrenten aus der eigenen Partei zur Wehr setzen und sich in der Hansestadt an der Verdichtung des maritimen Flairs beteiligen? Zumal direkt vor seinem Amtssitz?
Gesagt, getan: Beckmeyer nahm im Küchenkabinett vor der Senatssitzung seinen Kollegen aus dem Bauressort, den Herrn Senator Schulte, beiseite und machte Dampf. Schließlich ist Bremen eine Hafen- und Hansestadt. Der nicht mehr vorhandene öffentliche Reichtum der Stadt basiert auf der maritimen Vergangenheit und, und, und..., erzählt man sich über Beckmeyers flammende Philippika. Und daß der Herr Senator tief in seinem Herzen auch wirklich von maritimem Flair überzeugt ist, das beweisen schließlich auch seine heißgeliebten, hellblauen, goldbeknöpften Zweireiherjacketts. Damit also überzeugte der maritim-modische Herr Senator Beckmeyer den eher klassisch gekleideten Herrn Senator Schulte von der Notwendigkeit des 2,20 Meter hohen Ankers vor dem Eingang der Bremer Vertretung seines eigenen, abwicklungsbedrohten Häfenressorts.
Da sich nun aber der Herr Senator Schulte nicht nachsagen lassen wollte, er habe zur Verschandelung des Stadtbildes beigetragen, einigten sich die zwei Herren auf einen historischen Kompromiß. Der Anker kommt mitsamt Kette und Butjer-Widmung für den ehrenwerten Schrotthändler zwar auf den Bredenplatz, muß aber nahe an das Haus des Herrn Senator Beckmeyer herangezogen werden. Angeblich beeinträchtigt das maritime Monster dadurch die Balkenholsche Skulptur des „einsamen Beckmeyers“ nicht mehr in ihrer künstlerischen Ausstrahlung. Und Bremen schüttet zwar unter ressortlicher Verantwortung des Herrn Beckmeyer den Überseehafen zu, zeigt aber weiterhin im Bereich maritimes Flair Flagge. Wie schön, daß es noch Senatoren gibt, die sich so stark den Wurzeln vergangener Bremer Blütezeiten verpflichtet fühlen. Und wie schön, daß es solche „Butjer“ auch noch in der Bevölkerung gibt. Denn der kleine, freche Junge Meyer (ohne Beck) hat schon einen anderen Ankerplatz gefunden. Auch vor dem Pusdorfer Kartoffelbunker steht bereits ein Anker-Monstrum. Aber was soll's, wenn es doch dem maritimen Flair Bremens dient, findet Ihre Rosi Roland Ihre
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