: Die Anklage bemüht die Moral
■ Die Vertreter des US-Repräsentantenhauses beenden ihre Plädoyers im Amtsenthebungsverfahren gegen Clinton. Ab morgen hat die Verteidigung drei Tage das Wort
Washington/Berlin (rtr/taz) – Die republikanischen Ankläger im Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Bill Clinton haben am Samstag die moralische Keule geschwungen. An den beiden vorangegangenen Tagen hatten sie kleinteilig die Indizien referiert, die ihrer Meinung nach für ein Impeachment sprechen.
Zum Abschluß der Anklageplädoyers malte Henry Hyde, der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Repräsentantenhauses, den Schaden an die Wand, den Clinton mit seinen Verbrechen und Verfehlungen begangen habe. Er habe das Vertrauen zwischen dem Präsidenten und dem Volk ebenso zerstört wie das Verhältnis zwischen den drei Gewalten des Staates sowie dem Land und der Welt, sagte Hyde. Es könne keinen größeren Schaden geben als diesen.
Die Anklage zeichnetete ein düsteres Bild von dem künftigen Verhältnis zwischen Eltern und Kindern dieser und kommender Generationen, sollte Clinton ungeschoren davon kommen. Das gesamte Rechtssystem habe Schaden erlitten. Dem US-Präsidenten werden Meineid und Behinderung der Justiz bei dem Versuch vorgeworfen, sein Verhältnis zu der damaligen Praktikantin Monica Lewinsky zu vertuschen.
Clintons Verteidiger haben ab morgen ebenso wie die Ankläger 24 Stunden Zeit, verteilt auf drei Tage, um die hundert Senatoren von ihrer Position zu überzeugen. Ihren Angaben zufolge brachten die Plädoyers der Ankläger keine neuen Erkenntnisse. Clintons Sprecher Joe Lockhart sagte, die Anklage stehe auf sehr wackligen Füßen. Dies zeige sich auch an der Besessenheit der politischen Gegner Clintons, unbedingt Zeugen vorladen zu wollen.
Am Freitag hatte der republikanische Abgeordnete Bill McCollum die Senatoren gebeten, Clinton einzuladen und sich über dessen Glaubwürdigkeit selbst ein Bild zu machen. Zudem sollten die Expraktikantin Monica Lewinsky sowie weitere Zeugen vor dem Senat erscheinen. Bei dem Verfahren gehe es nicht um Sex, sondern um ein Geflecht aus Lügen und Machtmißbrauch. Deshalb müßten auch die Hauptfiguren der Affäre vor dem Senat auf ihre Glaubwürdigkeit hin bewertet werden. Ob dies als offizieller Antrag nach den Eröffnungsplädoyers eingebracht werden soll, ist noch unklar.
Der Präsident bereitete sich am Wochenende auf seine Rede zur Lage der Nation vor, die er ebenfalls am Dienstag vor beiden Häusern des Kongresses halten wird. Nach Angaben des Präsidialamts werde er seine Pläne für die künftige Innen- und Außenpolitik der USA darlegen und dabei der Sicherung des Sozialsystems besonderes Gewicht beimessen.
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