: Genosse mit Schröder-Effekt
■ Walter Momper hat seinen Wahlsieg auch der Unterstützung des Kanzlers zu verdanken
Berlin (taz) – Die Gratulation kam per Handy. Prompt. Noch während der Verkündung des Sieges. Bundeskanzler Gerhard Schröder wollte seinen Mann in Berlin, Walter Momper, gleich wissen lassen, daß dessen Sieg des Kanzlers Wohlgefallen findet. Momper, der frischgekürte Spitzenkandidat der Berliner SPD und vielleicht der nächste Regierende Bürgermeister der Hauptstadt, hat den Kanzler hinter sich.
Im Wahlkampf setzte Momper auf den Schröder-Effekt. Inszeniert stellte er sich vor das Berliner Rote Rathaus und sagte in die Kamera das obligate Sprüchlein „Ich will hier rein“. Noch am Freitag, zwei Tage bevor die hauptstädtischen GenossInnen ihren Spitzenkandidaten per Urwahl kürten, trafen sich Schröder und Momper zu einem mehrstündigen Mittagessen in Berlin – was, sicher nicht zu Unrecht, als Kanzlervotum für Momper gewertet wurde. Der alte Schröder-Spezi und Berliner SPD- Linke Klaus-Uwe Benneter hatte das Mahl im Nobelrestaurant „Vau“ arrangiert.
Schröder und Momper, beide Niedersachsen, verstehen sich: zwei Machtmenschen mit wenig Rücksicht auf Verluste, zwei ehemalige Parteilinke, zwei wortgewandte Populisten, zwei Medienmenschen. Zwei Männer, die eine deftige Auseinandersetzung nicht scheuen. Eine besondere Art der Streitkultur hat Momper bereits bewiesen als Regierender Bürgermeister und Kopf der ersten rot- grünen Koalition der Hauptstadt. Mit Tränen quittierten grüne wie rote Senatorinnen bisweilen seine legendären Wutausbrüche am Kabinettstisch. Die politischen Entscheidungen fielen indes in Walter Mompers berühmten Küchenkabinett.
Doch der Momper von heute ist nicht mehr der von früher. Das Zerbrechen der rot-grünen Koalition liegt dazwischen, sein Absturz in der Berliner SPD, sein Rückzug ins Baugewerbe. Und eine gescheiterte Urwahl, damals, 1995, gegen die heutige Berliner Schulsenatorin Ingrid Stahmer. Ruhig und zurückhaltend präsentierte sich Walter Momper im Wahlkampf, geläutert. Statt würziger Parolen, politischer Kampfansagen oder unfairen Seitenhieben mimte Momper den in die Jahre gekommenen Schwiegersohn.
Seit gestern ist jedoch wieder alles anders: ein überwältigender Wahlsieg, die Parteiführung macht die Bühne frei für Walter, selbst die Grünen begrüßen den Kämpfer zurück im Ring. Jetzt kann Momper zeigen, ob noch das in ihm steckt, was sich die Basis erhofft. Barbara Junge
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