Schröder lädt zu dringendem Atomgespräch

■ Kampagne gegen Atomtransporte rollt an, solange AKW nicht stillgelegt sind

Hannover (taz) – Bundeskanzler Gerhard Schröder wird mit den Spitzen der deutschen Energiewirtschaft an diesem Freitag zu einem dringlichen Gespräch über die Atompolitik zusammentreffen. Wenige Tage vor der ersten Energiekonsensrunde sollen offenbar noch einige Klärungen erzielt und Absprachen getroffen werden.

Der Vorstandsvorsitzende der Veba AG, Ulrich Hartmann, hat bereits mit einem Ausstieg aus den Konsensgesprächen gedroht: „Wenn wir überfordert werden, steigen wir aus.“ Er warf der Bundesregierung vor, die Energiekonzerne vor vollendete Tatsachen gestellt zu haben. So habe es keine Verständigung über das Verbot der Wiederaufarbeitung von Kernbrennstäben ab Januar 2000 gegeben.

Auf entschlossenen Widerstand trifft die Regierung auch bei der Kampagne „X-tausendmal quer“. Bereits über 1.500 Meschen, genauso viele wie vor dem letzten Gorleben-Transport, hätten durch ihre Unterschrift ihre Teilnahme an einer großen gewaltfreien Sitzblockade angekündigt, sagte Kampagnensprecher Jochen Stay.

Die Castor-Gegner machen keinen Unterschied zwischen einem Rücktransport von WAA-Müll aus dem Ausland oder den von Rot-Grün geplanten Brennelementtransporten aus deutschen AKW direkt nach Gorleben oder Ahaus. „Angesichts des weltweit ungelösten Atommüllproblems fordern wir die sofortige Stillegung aller Atomanlagen“, sagte Stay.

Dem Bundesumweltminister warf der Kampagnensprecher vor, die Öffentlichkeit über die wirkliche Zahl der Transporte zu täuschen. Es gehe keineswegs nur um die Rückführung der bei der Wiederaufarbeitung entstandenen deutschen Abfälle aus Frankreich. Zum Betrieb der 19 bundesdeutschen Reaktoren seien zudem jährlich zwischen 60 und 100 Transporte nötig, die künftig direkt in die Zwischenlager Gorleben und Ahaus rollen.

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte gestern, daß die Transporte ohnehin nicht wieder aufgenommen werden könnten, solange die Konsequenzen aus den Kontaminationen an den Behältern nicht gezogen und die Probleme mit der Feuchtigkeit in Castor-Dichtungen nicht gelöst seien. Geplant ist dem Vernehmen nach, den Wiederaufarbeitungsfirmen in La Hague und Sellafield Ersatz für die künftig wegfallende Wiederaufarbeitung anzubieten: Sie sollen die Brennelemente künftig konditionieren, also endlagerfähig verpacken. Nach Angaben des Bonner Wirtschaftsverbandes Kernbrennstoff-Kreislauf lagern zur Zeit in La Hague 800 Tonnen abgebrannte Brennelemente aus Deutschland und weitere 500 Tonnen in Sellafield. Jürgen Voges