: Die Opernhostess hilft
Psychoakustische Kompositionen für musikalische Ganzkörpererlebnisse: Jan-Peter E. R. Sonntags N-Spiral auf Kampnagel ■ Von Britta Peters
Soviel steht fest: Jan-Peter E. R. Sonntag hat mit seinem Publikum Großes vor. Der gebürtige Lübecker experimentiert seit Jahren mit Klängen und ihrer Wirkung bei der Inszenierung von verschiedenen Wahrnehmungszuständen. Er hat Kunst, Musik und Philosophie studiert und erarbeitet auf dieser Basis Installationen oder, wie jetzt auf Kampnagel, die Klangperformance N-Spiral.
Einigen ist Sonntag vielleicht durch seine Beteiligung an diversen Kunstschauen ein Begriff, wie etwa an der Ausstellung der Hamburg-Stipendiaten 1997 im Kunsthaus oder an der Ausstellung Un-friede. Sabotage von Wirklichkeiten im Kunstverein 1996. Als Stipendiat präsentierte er die Installation modern minimal disco, ein vibrierendes Kissen, über dem sich ein Kopfhörer mit einer minimalistischen Komposition befindet.
Was im Rahmen von N-Spiral passieren wird, läßt sich nur grob umkreisen. Die Performance ist in drei verschiedene Akte gegliedert, in deren Verlauf die Besucher ihre Position im Raum verändern. Die Kammeroper stand Pate für dieses Aufführungsformat, eine Geschichte wird jedoch nicht erzählt. Statt dessen möchte Sonntag den Zuschauern durch akustische und physikalische Effekte zu einem besonderen Erlebnis verhelfen. Seine „psychoakustischen“ Kompositionen, wie er sie nennt, sollen Musik am ganzen Körper spürbar machen.
Im ersten Akt bewegt sich das Publikum wie Figuren auf einem Spielbrett. Zwei Opernhostessen helfen, in dem Feld aus pulsierenden Druckwellen den richtigen Platz zu finden. Mit dem zweiten Akt verschiebt sich das Geschehen unter einen überdimensionalen Trichter. Darunter kreist ein Lautsprecher mit einem stetig fallenden Ton, so daß der Eindruck entsteht, der Lautsprecher würde im nächsten Moment hinabsausen. Das durch die akustische Täuschung hervorgerufene Gefühl der Bedrohung wird im dritten Akt durch eine sich bis ins Unendliche steigernde Geschwindigkeit abgelöst. Abrupt endet die schwindelerregende Zuspitzung mit einem Spezialeffekt, den der Künstler noch nicht verrät.
Die Rolle von Jan-Peter Sonntag innerhalb der Performance ist die eines Regisseurs. Er beschreibt sich als „Komponisten, der die Umsetzung seiner Ideen überwacht“. Der Tänzer John R. Carlson übernimmt den Part des Alter ego.
Um die Verwirrung komplett zu machen, kommt jetzt noch Philosophie ins Spiel: Das „N“ in N-Spiral steht für den Einfluß von Nietzsches Schaffen auf die Komposition. Inspiriert hat den smarten 33jährigen insbesondere der „schwerste Gedanke“ des Kulturpessimisten, „die Wiederkunft des ewig Gleichen“. Als Musiker hat er sich viel mit Kompositionsfragmenten von Nietzsche beschäftigt, doch in die aktuelle Arbeit wird nichts davon einfließen. Das einzige, was er von dem großen Denker übernommen hat, ist das Logo des Nietzsche-Archivs in Weimar, ein von dem Jugendstil-Architekten van der Felde entwickeltes Zeichen von 1907.
Mi, 27., Fr, 29. und Sa, 30. Januar, jeweils 20.30 Uhr, Kampnagel
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