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Algerien erlaubt privaten Netzzugang

■ Neue Satellitenverbindungen für zwei Megabit pro Sekunde

Algerien steht das Internetfieber bevor. Davon ist zumindest Younes Grar, der Chef von General Computing System (Gecos), fest überzeugt. Seine Firma (www.gecos.net) will als erstes privates Unternehmen den Algeriern den Zugang zum Netz der Netze vermitteln. „Statt der bisher 5.000 Nutzer des staatlichen Anbieters wird Internet am Ende des Jahres vorsichtig geschätzt 20.000 haben“, glaubt der Gecos-Chef.

Losgehen soll es Ende Februar. Bis dahin wird Gecos zusammen mit zwei weiteren Unternehmen eine Satellitenanlage aufgebaut haben, um die maroden Telefonkabel nach Europa und damit in die USA zu umgehen.

„Mit zwei Megabit pro Sekunde fangen wir an“, sagt Grar. Er hofft hauptsächlich auf private Abonnenten. Die wurden bisher vom staatlichen Monopolanbieter, dem Forschungszentrum „Cerist“ (www.cerist.dz), sträflich vernachlässigt. Cerist begann 1993 mit seinem Internetservice. Algerien war damit volle drei Jahre vor dem Nachbarland Marokko an das Internet angeschlossen. Zu den Nutzern gehören bis heute vor allem die Verwaltung, Universitäten, staatliche und private Betriebe. Algerier, die bloß aus privatem Vergnügen surfen wollen, werden erst seit Mitte letzten Jahres akzeptiert. Sie machen nicht einmal 10 Prozent der Kunden aus.

Ein Vergnügen ist das Surfen mit Cerist wirklich nicht. Die erste Leitung des Rechenzentrums arbeitete nur mit 256 Kilobit pro Sekunde. 50 Kunden gleichzeitig konnten damit bedient werden. Eine stabile Verbindung war nur schwer zu erreichen. Seit Dezember geht es etwas besser. Mit Hilfe eines Satelliten hat Cerist die Kapazität auf ein Megabit erweitert. „Damit können wir 200 Verbindungen zur selben Zeit bedienen“, sagt Cerist-Sprecherin Karima Merabed, die eingestehen muß, daß Algerien heute alles andere als der Internet-Marktführer in Nordafrika ist. Tunesien verfügt inzwischen über zehn Provider, Marokko über vierzig.

Ein Gesetz, das seit diesem Jahr auch in Algerien unbegrenzt private Provider zuläßt, wird das jetzt ändern. „Damit können wir endlich alle Dienste anbieten“, sagt Grar. Er will seine Preise noch nicht verraten, „aber wir werden auf jeden Fall deutlich unter denen von Cerist liegen“. Das Staatsmonopol verlangt 3.000 Dinar (90 Mark) pro Monat für bis zu 60 Stunden, 5.000 Dinar (160 Mark) ohne zeitliche Begrenzung. Ein Vermögen in einem Land, in dem ein Universitätsprofessor mit viel Glück 15.000 Dinar verdient.

Gecos ist seit Mitte 1997 im Internet aktiv. Der erste Kunde war die Tageszeitung El Watan. Seit Herbst 1997 ist das Blatt mit seiner Komplettausgabe im Netz. Gecos erstellte die Seite, die heute 50.000 Leser täglich besuchen. Um die schlechten Leitungen von Cerist zu umgehen, hat Gecos beim US- amerikanischen Unternehmen AD Grafix Serverplatz gemietet.

Mittlerweile haben sieben weitere französischsprachige und zwei arabischsprachige Zeitungen nachgezogen. Gecos unterhält außerdem die umfangreichste Seite mit Informationen über Algerien. Die Adresse www.algeriainfo.com bietet unter anderem einen Chatkanal, Links zur Presse, zu Unternehmen und Parteien an. Der erste Kunde aus dem politischen Leben des Krisenlandes war ausgerechnet die MSP-Hamas, die Organisation der gemäßigten Islamisten.

Ebenfalls vor zwei Jahren öffnete Gecos das erste Cybercafé Algeriens. In einem kleinen Raum können die Kunden für 200 Dinar (6 Mark) die Stunde surfen und mailen. Mittlerweile hat die Mediathek der Regionalregierung von Algier (www.gda.dz) nachgezogen. In allen Stadtteilen hat sie Außenstellen mit Computern eingerichtet, die schon für 100 Dinar die Stunde genutzt werden können.

Warum trotzdem viele noch immer zu Gecos kommen, ist einfach zu erklären. Während die Bedienstete des staatlichen Internetknotens nahe der Universität in Algiers Innenstadt bereitwillig zugibt, daß sie ihren Kunden beim Mailen und Surfen über die Schulter schaut, ist Gecos-Chef Younes Grar ein Anhänger der völligen Netzfreiheit: „Das ist doch der Sinn des WWW, oder?“ Reiner Wandler

wandler@compuserve.com

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