piwik no script img

Mit 70 Pferdestärken ins Kaufhaus

Die Mönckebergstraße für Autos öffnen, Altonas Große Bergstraße auch – „das sind Symbole“, fürchten GALier und Interessengruppen. Hamburg und der Verkehr, Teil I  ■ Von Gernot Knödler

Direkt ein bißchen unfair fand es der CDU-Abgeordnete Hartwig Kühlhorn, daß ihm die GALierin Karin Zickendraht in der Bezirksversammlung Mitte den gemeinsamen Vorschlag von Union und SPD um die Ohren haute, die Mönckebergstraße versuchsweise für den Autoverkehr zu öffnen. Schließlich habe es sich ja nur um eine von vielen Ideen gehandelt, um die Hamburger City für KonsumentInnen attraktiver zu machen. Trotzdem: Die von den rot-schwarzen BezirkspolitikerInnen am vorigen Dienstag beschlossene Öffnung auf Probe war es, die über die Bezirksgrenzen hinaus für Aufsehen sorgte. Brisanz gewinnt die Idee auch durch den kurz zuvor bekannt gewordenen Vorschlag der SPD in Altona, die Große Bergstraße am Altonaer Bahnhof wieder für den Autoverkehr zu öffnen. „Das sind Symbole“, fürchtet Olaf Wuttke. Der Altonaer GAL-Fraktionschef sieht den verkehrspolitischen roll back drohen, „wenn sich die Politik daran gewöhnt, daß sie wieder mehr Straßen bauen kann“.

Im Falle der Mö soll sich nun Bezirksamtsleiter Rolf Miller dafür einsetzen, daß geprüft wird, ob Autos zeitweise in der Einkaufsstraße zugelassen werden könnten: montags bis freitags ab 18 Uhr etwa, samstags ab 15 Uhr und sonntags den ganzen Tag. Die Innenbehörde hatte diesen Vorschlag bereits Ende vergangenen Jahres mit der Begründung abgelehnt, für einen solchen Test müßten neue Ampeln aufgestellt werden. SPD und CDU halten das für unnötig. Auch so werde kein Verkehrschaos ausbrechen, da in den genannten Zeiten „eine hohe Verkehrsbelastung nicht zu erwarten“ sei. Für Zickendraht wäre das ein Grund, auf die Öffnung zu verzichten.

Ganz anders denkt Hans-Jörg Schmidt-Trenz von der Handelskammer: Die Idee „ist schnell realisierbar und kostet nichts, die Vorteile der Fußgängerzone bleiben erhalten, gleichzeitig wird mehr Mobilität geschaffen“. Wäre die Innenstadt abends per Auto besser erreichbar, würden sich mehr Gaststätten dort ansiedeln.

„Phantasie ist gefragt, um unattraktive Zentren aufzuwerten, und nicht die Konzepte der 70er Jahre“, hält Ingrid Ahrens vom VCD (Verkehrsclub Deutschland) dagegen. Der Einzelhandel solle mit Ideen und Service um Kunden werben, etwa mit Lieferungen frei Haus.

Ulf Tietze vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub ADFC stört zudem, daß seine Klientel in den Überlegungen keine Rolle spielt. „Was uns bekümmert, ist, daß da Leute zusammensitzen, die denken, daß Autofahrer die einzigen sind, die etwas konsumieren.“ Das gilt auch für die Große Bergstraße in Altona, wo der ADFC laut Tietze eine Freigabe für RadlerInnen vorschlug. Selbst für die Zeit nach Geschäftsschluß sei das abgelehnt worden. Jetzt will die SPD die Öffnung für den Autoverkehr prüfen lassen, um das Einkaufszentrum des Bezirks aufzuwerten.

Während SPD-Fraktionschef Horst Emmel als Beispiel dafür, wie die Bergstraße funktionieren könnte, die Waitzstraße in Othmarschen anführt, sagt sein Kollege von der GAL: „Das ist ein gutes Gegenbeispiel.“ Auf der Einbahnstraße mit den schrägstehenden Parkplätzen herrsche „ein einziges Verkehrschaos“, berichtet Olaf Wuttke. Straßencafés gebe es nicht, auch in der Bergstraße werde keiner neben einer Autoschlange in der Eisdiele sitzen wollen.

Einen begehrlichen Blick haben die Autofreunde auch auf die Colonnaden geworfen – zumindest, wenn es nach Dietmar Hamm geht, dem Geschäftsführer des „Trägerverbandes Colonnaden“, der Einzelhändler, Grundeigentümer und städtische Stellen vereint. Nach Hamms Vorstellungen soll von der Alster bis zum Gustav-Mahler-Platz ein 3,50 Meter breiter Fahrweg entlang der Arkaden geschaffen werden. Über die Fehlandstraße würde der Einbahnverkehr dann zurück zum Jungfernstieg gelenkt.

Die Colonnaden seien für ihre heutige Nutzung zu breit, argumentiert Hamm. Die Fußgänger orientierten sich nicht an den Schaufenstern; Lieferfahrzeuge und die illegal Parkenden störten die Flaneure. Mit dem Fahrweg „wollen wir nur Ordnung erreichen“.

Nach wie vor wird an vielen Stellen jedoch an Verkehrsberuhigungsmaßnahmen gearbeitet. So ist der Umbau des Grindelhofs zur Einbahnstraße noch nicht vollständig abgeschlossen. Mit der Richtungssperrung soll Autofahrern die Möglichkeit genommen werden, mitten durchs Wohngebiet in die City zu rauschen. In Planung ist in Eimsbüttel außerdem, das Nien-dorfer Gehege an Sonn- und Feiertagen für Autos zur sperren. Damit soll der Stadtwald als größtes Naherholungsgebiet des Bezirks aufgewertet werden. Die Umsetzung stehe „unmittelbar bevor“, versichert Peter Schreiber (SPD), Chef des Verkehrsausschusses.

In Nord soll das Stück der Alsterkrugchaussee zwischen Sengelmannstraße und Erdkampsweg verengt werden – allerdings erst, wenn die Ortsumgehung für Fuhlsbüttel fertiggebaut ist. „Wir erwarten, daß sie die Alsterkrugchaussee entlastet“, erläutert Heinz-Dieter Bies von der GAL Nord. Und auch in Wandsbek ist nach Auskunft von Baudezernent Rainer Riedel ein Verkehrsberuhigungsprojekt in Arbeit: ein Stück der Charlottenburger Straße vor dem Bürgerhaus Jenfeld.

Teil II am Montag in der taz hamburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen