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Etwas Besseres als die Krise gibt es gar nicht

■ Guter Querschnitt durch den State of the art: „Ultraschall“, ein Festival mit Neuer Musik

Der Name „ex negativo“ klang wahrscheinlich zu sehr nach destruktiver Post-Punk-Attitüde, als daß sich das DeutschlandRadio auf Dauer mit einem solchen Festival hätte schmücken wollen. In Verschmelzung mit dem ähnlich ausgerichteten SFB-Festival, das den lakonischen Titel „Musik der Gegenwart“ trug, heißen Berlins Neue-Musik-Konzerte der kommenden vierzehn Tage jetzt „UltraSchall“. Obwohl man das „Ultra“ auch getrost hätte weglassen können, denn die Hörer erwartet nicht mehr und nicht weniger als ein exzellenter Querschnitt durch den State of the art der zeitgenössischen Musik, mithin „Schall“.

Auch wenn das Festival gerade durch seine Heterogenität in Werk- und Venue-Auswahl an Ausstrahlung gewinnt, haben sich zwei Schwerpunkte in die Konzertreihe eingeschlichen. Die Themenkomplexe „Stimme“ und „Japan“ ziehen sich als roter Faden durch die Abende und beweisen dabei vor allem eins: daß künstlerischem Ausdrucksbemühen nichts Besseres passieren kann, als in eine Krise zu geraten.

So wurden auch die Grenzen zwischen Sprache und Musik in den vergangenen fünfzig Jahren aufgeweicht, durchdrungen und – wie vor allem im heutigen Eröffnungskonzert deutlich werden dürfte – beiläufig reinstalliert. Nicht daß nun deshalb Lieder Schubertschen Formats zu erwarten wären, aber im Gegensatz zu den phonetischen Zerstückelungen der 60er und 70er Jahre kann das Wort Vertonung im Zusammenhang mit Brian Ferneyhoughs „On stellar magnitude“ (1994) und Matthias Pintschers „A twilight song“ (1997) getrost Verwendung finden.

Auch der Schwerpunkt „Japan“ ist von einer Krise gezeichnet. Die abendländische Musikkultur hält ein eigenes wie streitbares Komponisten- und Werkverständnis bereit. Für Komponisten und Komponistinnen der nichtwestlichen Welt muß das Sich-als-Künstler- Verbürgen auch immer als Bruch kultureller Identität verstanden werden. In einem jahrzehntelangen Prozeß haben sich Komponisten wie Toru Takemitsu oder Toshio Hosokawa einen unverwechselbaren, oft schwelgerischen Klangkosmos eingerichtet, der diesen Bruch zu kitten versteht.

Als kleine Sensation gilt das Auftreten Christian Wolffs auf dem Festival. Der seinerzeit wohl radikalste Vertreter der New York School um John Cage und Morton Feldman arbeitete entschieden an der Enthierarchisierung des musikalischen Schaffensprozesses, hinterließ Ausführenden oft wenig mehr als Spielregeln und kam so zu einem der überzeugendsten Versuche musikalische Aktivität zu politisieren.

Neben der Uraufführung seines Stückes „Memory“ am 6.2. im kleinen Saal des Konzerthauses ist Wolff am 7.2. in der „Hanns Eisler“-Musikhochschule mit dem Vortrag „Quiet and political“ und im Gespräch mit dem Berliner Komponisten Walter Zimmermann zu erleben.

30.1. 20 Uhr Sarah Leonard (Sopr.), ensemble recherche, Peter Hirsch spielen Ferneyhough, Birtwistle, Pintscher und Pauset; 31.1. 16 Uhr Leipziger Streichquartett, Stefan Schleiermacher (Klav.), Ingrid Schmithüsen (Sopr.) Michael Svoboda (Pos.) spielen Hosokawa, Halffter und Cage, beides im Podewil

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