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Und die Maschine lebt doch

Wichtiger als die Fakten sind Simulationen: Heinrich Dubel, „Sniper“-Betreiber, Ausstellungsmacher und Gründer des Erratik Instituts, hielt einen Vortrag über James Deans Porsche und dessen verfluchten Geist  ■ Von Cristina Nord

Diedrich Diederichsen konnte dem früh verstorbenen Idol nichts abgewinnen: „Unnötig wie die Konflikte, denen er in seinen verquälten Epen Ausdruck verlieh, war James Deans berühmter Heldentod. Unnötig und dumm“, schrieb der Poptheoretiker im September 1985, 30 Jahre, nachdem Dean in seinem Porsche 550 Spyder in den Tod gerast war.

Heinrich Dubel sieht das ganz anders. Der Helikopterforscher, Ausstellungsmacher („Erratische Architekturkritik“ in der Galerie berlintokio) und Gründer des Erratik Institut Berlin hat einen untrüglichen Sinn für die Abschweifungen der jüngeren Geschichte und die Verirrungen der Populärkultur.

Derzeit widmet er sich dem ehrgeizigen Projekt „Erratische Simulationen des 20. Jahrhunderts“, dessen Etappenergebnisse er in schöner Regelmäßigkeit in Juliettes Literatursalon vorstellt (so ist für den 11. Februar Erbauliches zum Thema „Frauen mit Waffen“ angekündigt). Am Donnerstag abend hielt Dubel den Vortrag „James Deans Todesporsche oder Der Geist in der Maschine“, für den er Dias und eine Menge interessante Details über den Unfallwagen, einen Porsche 550 Spyder namens Little Bastard, zusammengetragen hatte. Details, mit denen der Erratiker die Herzen der Verschwörungstheoretiker und Thomas-Pynchon-Adepten im Publikum höherschlagen ließ.

Denn der Porsche Spyder, mit dem Dean am Nachmittag des 30. September 1955 in einen schwarzen Ford Tudor raste, sollte auch nach dem Tod des Stars weiterwüten. Aus Dubels Recherchen geht hervor, daß ein gewisser George Barris die Überreste des Wagens für die stolze Summe von 2.500 Dollar erstand (Dean hatte für den intakten Little Bastard 3.000 Dollar hingelegt).

Allen, die fortan mit dem Auto zu tun hatten, brachte es Unglück: Einem Mechaniker, der sich kurz nach dem Unfall an dem Wrack zu schaffen machte, quetschte der Porsche beide Beine ab. Der Arzt Troy McHenry, der den Motor von Barris erworben und in seinen eigenen Wagen eingebaut hatte, verunglückte tödlich bei einem Autorennen. Dubel spricht in diesem Zusammenhang von der „Terrorherrschaft“ des Porsche Spyder und unterstreicht seine Forschungsergebnisse mit zahlreichen Anagrammen wie „coppery shreds“ („kupferne Fetzen“) oder „psycho speedrr“. Wie die Einzelteile des Wracks werden die Buchstaben neu zusammengefügt. Ob sie dabei eine ähnlich bösartige Wirkung entfalten, muß dahingestellt bleiben. Dubels Theorie von der Neukombination des Buchstabenmaterials sieht eher Verschleiß und Ermüdung denn Aggressivität vor.

Unterdessen breitete sich in Kalifornien die Erkenntnis aus, daß auf Deans Wagen, nunmehr in Einzelteilen über den ganzen Bundesstaat verstreut, ein Fluch lasten müsse. Um weiteren Schaden abzuwenden, beschloß die California Highway Patrol, die Überreste des unglückseligen Gefährts zu beschlagnahmen und didaktischen Zwecken zuzuführen. In einer Wanderausstellung sollte das, was vom Porsche Spyder übrig war, über die Gefahren zu schnellen Fahrens aufklären. Fast unnötig zu sagen, daß die Unfälle auch jetzt kein Ende fanden. Der „Todesporsche“ lebte weiter, bis er 1960 auf bis heute ungeklärte Weise verschwand.

Ob sich das alles auch wirklich so zugetragen hat, wie es Dubels Recherchen glauben machen, ist natürlich nicht erwiesen. Immerhin ist nicht die Welt der Fakten Forschungsgegenstand des Erratikers, sondern die der Simulationen. Wichtig ist vor allem, daß die Ereignisse so hätten sein können, wie Dubel sie darstellt. Und für den unwahrscheinlichen Fall, daß selbst der Möglichkeitssinn überfordert wäre, hat man es immer noch mit einer klasse Geschichte zu tun. Und mit einem begnadeten Geschichtenerzähler sowieso.

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