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Klinik-Kompromiß in der Kritik

■ Nach der Entscheidung vom Freitag ist unklar, ob das jüdische Krankenhaus nach Moabit zieht. Heute wollen die Krankenkassen über die Streichliste der Großen Koalition beraten

Die Gewerkschaft ÖTV, die Ärztekammer und die Bündnisgrünen haben die Koalitionsbeschlüsse zur Krankenhausplanung scharf kritisiert. „Unter dem massiven Druck der Krankenkassen hat die Koalition eine Mischung aus sinnvollen und willkürlichen Maßnahmen gewaltsam zusammengeschustert“, urteilte der gesundheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Bernd Köppl (siehe Interview). Der neue Ärztekammerpräsident Günther Jonitz forderte die betroffenen Kliniken auf, gegen ihre Schließung zu klagen: „Eine Klage zwingt die Politiker, objektive und nachvollziehbare Politik zu betreiben“, so Jonitz.

Der Beschluß zur Klinikplanung, auf den sich der Koalitionsausschuß von CDU und SPD am Freitag abend nach kontroversen Verhandlungen geeinigt hatte, sieht folgende Kernpunkte vor: Die katholischen Häuser St. Hedwig in Mitte und St. Gertrauden in Wilmersdorf, für die sich die CDU stark gemacht hatte, werden nicht geschlossen.

Das Krankenhaus Moabit ist das größte Sparopfer der Koalition. Es soll als Standort zwar erhalten bleiben, aber sein Budget von über 130 Millionen verlieren. Nach Vorstellungen von CDU und SPD sollen das Jüdische Krankenhaus und die DRK-Klinik Drontheimer Straße in die Gebäude an der Turmstraße ziehen. Aufgrund des Sanierungsbedarfs im Jüdischen Krankenhaus, so der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), seien alle Beteiligten „gut beraten, diesen Vorschlag sehr sorgfältig zu prüfen“.

„Eine Mogelpackung“ nennen das die zehn KlinikmitarbeiterInnen, die seit Freitag mit einem Hungerstreik gegen die Schließung ihres Krankenhauses protestieren. „Wir wollen weder Fusion noch Umzug“, sagt auch der ärztliche Leiter des Jüdischen Krankenhauses, Uri Schachtel, und verwies auf den „historischen Standort“ des Krankenhauses: „Die Gesundheitsversorgung in unserem Haus wurde nur durch die Nazizeit unterbrochen.“ Auch für den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Andreas Nachama, steht der Standort an der Iranischen Straße „nicht zur Debatte“. Dieser Ort ist „emotional sehr gefüllt“, sagte Nachama zur taz und verwies auf die Bestandsgarantie, die ihm die Gesundheitssenatorin für das Jüdische Krankenhaus gegeben habe.

Inmsgesamt soll das Globalbudget der Kliniken von zuletzt 5,7 Milliarden um gut 750 Millionen gekürzt werden. Die Hauptlast liegt bei den städtischen Kliniken sowie den Häusern, die mehrheitlich vom Land geführt werden. Allein die Privatisierung des städtischen Klinikums Buch soll 130 Millionen einbringen. „Unhaltbar“ sei das, kritisierte ÖTV-Vize Ernst- Otto Kock: „Das Land geht schluderig mit seinem Eigentum um.“ Mit Blick auf die Privatisierung Buchs sagte Kock, daß sich das Land „schleichend aus seiner Verantwortung als Arbeitgeber verabschiede.“

Von den Krankenkassen lag gestern noch keine abschließende Stellungnahme vor. Einsparungen von 750 Millionen aber seien „ein Schritt in die richtige Richtung“, so der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Berliner Krankenkassen und hiesiger AOK-Chef, Rolf Dieter Müller.

Diese Einsparungen, so Müller, seien die Voraussetzung dafür, daß die Bundeskassen weiterhin zu ihrer Berlinförderung bereit seien. Jährlich fließt eine Milliarde Mark von den Bundeskassen nach Berlin. Die Kassen wollen am Monatg über die Vosrschläge beraten. Sabine am Orde

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