: „Deutsche“ gegen „Zigeunerclub“
■ Massive Fan-Übergriffe bei Paulis 0:2 in Rostock / Thomfordes Linsen getrübt / Uli Maslo kündigt Protest beim DFB an
„So ein einzelner macht vieles kaputt“. Mit diesen Worten kommentierte Rostocks Steffen Baumgart den Wurf einer Rauchbombe aus dem Hansa-Block, der zur Auswechslung des kontaktlinsentragenden Pauli-Torwarts Thomforde führte. Indes waren die Rauchschwaden, die ab der 72. Spielminute vor der Rostocker Fankurve waberten, nur das medial transportierbare Symbol für ein alles andere als normales Fußballspiel.
Da es in Rostock aber mehr als nur „einzelne“ gibt, für die ein Spiel gegen den „Zigeunerclub St. Pauli“ willkommener Anlaß zur Selbstdarstellung ist, hatte der DFB das Spiel bereits im Vorfeld zum „Risikospiel“ erklärt. Doch was nutzt ein verstärktes Polizeiaufgebot, wenn die 300 Rostocker Hooligans direkt neben dem Gästeblock plaziert sind und während des gesamten Spiels ungestört Bierbecher, Steine und gar ganze Sitzbänke in den St. Pauli-Block werfen können? Begleitet von Parolen wie „Deutsche wehrt Euch“ sorgte so mancher Treffer an Hamburger Köpfen für Hochbetrieb in den Kliniken vor Ort.
Daneben wurde auf dem Platz auch noch Fußball gespielt. Bereits in der zweiten Spielminute machte der für den verletzten Jens Scharping in die Mannschaft gekommene Martin Driller durch einen Lattentreffer auf sich aufmerksam. Es sollte, abgesehen von einem Dinzey-Schuß in der zweiten Halbzeit, die einzig erwähnenswerte Torchance der St. Paulianer bleiben. Die Hamburger Zweikampfschwäche erlaubte es den Gastgebern, das Spiel nach Belieben zu gestalten. Besonders auf der rechten Außenbahn verloren Stefan Hanke und Ralf Becker fast jedes Laufduell gegen den Rostocker Stefan Studer. Eine seiner Flanken verwertete der überragende Stefan Beinlich in der elften Spielminute zur 1:0-Führung für die Mecklenburger. Auch nachdem der Rostocker Heiko März für ein Foul an Martin Driller die Rote Karte gesehen hatte, gelang es dem indisponierten FC St. Pauli nicht, das Spiel an sich zu reißen. Den dominierenden Rostockern gelang in der 69. Spielminute das verdiente 2:0 durch Steffen Baumgart.
Als spielentscheidend könnte sich indes der Rauchbomben-Wurf aus der 72. Spielminute erweisen. Trainer Uli Maslo kündigte bereits an, sein Verein werde am Montag gegen die Wertung des Spiels Protest einlegen. Sollte sich der DFB, wie in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen schon häufiger praktiziert, zur Disziplinarmaßnahme des Wiederholungsspiels entschließen, wird dies wohl vor allem in Rostocker Hooligankreisen für Begeisterung sorgen. Die Zahl der potentiellen Opfer wird sich nach den Erlebnissen vom Sonnabend sicherlich drastisch reduzieren.
Christoph Ruf
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