: Die Chancen der Biotechnologie
Gentechnik als Teil der Biotechnik ist oft riskant. Doch klassische Biotechnik bietet Chancen, Ressourcen zu schonen, so das Umweltbundesamt in einer neuen Studie ■ Von Annette Jensen
Berlin (taz) – Biotechnologie ist alles andere als eine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Schon vor 5.000 Jahren wußten die Sumerer, wie man Bier mittels Hefe herstellt – auch wenn sie nicht verstanden, warum das funktionierte. Die moderne Biotechnologie dagegen züchtet gezielt Organismen, um beispielsweise Bier schneller gären zu lassen. Als neue Biotechnologie wird die Gentechnik bezeichnet.
Eine neue Studie, die das Umweltbundesamt (UBA) diese Woche veröffentlicht und die der taz vorliegt, gibt einen Überblick über den Stand der biotechnologischen Forschung und Praxis. Die Beamten stellen zwar nie die Frage, ob diese Produkte gebraucht werden, versuchen aber auszuloten, ob die Biotechnologie eher Chancen oder Gefahren für die Umwelt und zukünftige Generationen birgt. Oft genug fällt ihre Prognose nach dem Motto aus: Nichts Genaues weiß man nicht. Und so plädieren die AutorInnen immer wieder für Vorsicht, insbesondere in der Landwirtschaft. Diese Warnung kommt kaum zufällig zeitgleich mit dem Endspurt der internationalen Verhandlungen über die Sicherheit der Gentechnik (siehe Bericht unten).
Bei der Herstellung von Basischemikalien spielt Biotechnologie bisher eine untergeordnete Rolle. Dabei gibt es für über die Hälfte der Grundchemikalien bereits Patente oder wissenschaftliche Publikationen über Verfahren, wie zum Beispiel Glykol, Ethylen, Propylen, Methanol oder Aceton mit Hilfe von Enzymen hergestellt werden können. Doch die chemische Industrie hält bisher an Altbewährtem fest und begründet das mit der mangelnden Reinheit der biotechnisch hergestellten Produkte und der Wärmeempfindlichkeit der beteiligten Enzyme. Dabei wären manche biotechnischen Verfahren aus Umweltsicht sinnvoll, weil sie die giftige Chlorchemie ersetzen könnten und weniger Energie verbrauchen würden.
Der Enzymtechnik sagen Forscher ein großes Entwicklungspotential voraus. Von den 7.000 natürlich vorkommenden Wirkstoffen werden gegenwärtig etwa 100 industriell genutzt – unter anderem für die Herstellung von Medikamenten und Reinigungsmitteln. Bisher werden gentechnisch hergestellte Enzyme in Deutschland nur bei der Produktion von Wasch- und Geschirrspülmitteln eingesetzt. Vorteil für die Umwelt: Das Waschwasser muß nicht so heiß sein – die VerbraucherInnen könnten allein hierzulande den Primärenergieverbrauch von 225.000 Waschmaschinen einsparen. Außerdem werden chlorhaltige Bleichmittel ersetzt.
„Auf dem pharmazeutischen Sektor werden bereits biotechnologische und gentechnische Verfahren für die Herstellung einer breiten Produktpalette angewendet“, heißt es im UBA-Report. In Deutschland sind 25 gentechnisch hergestellte Arzneimittel zugelassen, darunter Interferone und Insulin. Laut Industrie sind sie entweder technisch nur mit Gentechnik herzustellen oder zumindest wirtschaftlich in größeren Mengen nicht anders zu gewinnen.
Bei Lebensmitteln hat konventionelle Biotechnologie eine lange Tradition – etwa zur Herstellung von Sauerkraut, Buttermilch oder Backhefe. Neu ist die genmanipulation von Starterkulturen, Enzymen und Zusatzstoffen. In Großbritannien ist ein gentechnischer Hefestamm zugelassen, der den Bäckern Zeit spart, weil Glukose und Maltose gleichzeitig, statt nacheinander verwertet werden. Bei Milchsäurebakterien und Bierhefe laufen intensive Forschungen. Für Käse gibt es inzwischen drei gentechnische Enzympräparate, wovon eines hier zugelassen ist.
Beim Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft warnt das UBA vor Sekundäreffekten – sei es die weitere Verdrängung von Wildkräutern, das unbeabsichtigte Aussterben von Insekten, ein zusätzlicher Einsatz von Düngemitteln oder eine Intensivierung der Bodennutzung. Außerdem mangele es weltweit nicht an der Herstellung von Nahrungsmitteln, vielmehr sei die Verteilung das Hauptproblem. Und daran könne die Gentechnik nichts ändern.
In Europa wurden bisher 1.000 Freisetzungsanträge für genmanipulierte Pflanzen eingereicht, die Hälfte sind herbizidresistent. Die Forschungsergebnisse sind widersprüchlich: Während ein US-Hersteller behauptet, deutlich weniger Pflanzengift versprühen zu müssen, kommen deutsche Forscher zum entgegengesetzten Ergebnis.
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