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Das kostet die Welt

In Kurdistan gedreht: „Günese Yolculuk“ („Reise zur Sonne“) von Yeșim Ustaoglu im Berlinale-Wettbewerb  ■ Von Thomas Winkler

Ein einziges Mal sind die Bilder nicht perfekt. In schlechter Qualität, fast schon einem Video ähnlich, werden Panzer auf den Straßen einer kurdischen Stadt gezeigt, offensichtlich hinter einem Fenster versteckt gefilmt. Spätestens dann ist „Günese Yolculuk – Reise zur Sonne“ nicht mehr Kino, sondern mehr als Kino.

„Günese Yolculuk – Reise zur Sonne“ ist eine türkisch-niederländisch-deutsche Koproduktion. Finanziert wurde der Film, wie der Produzent bei der streng bewachten Pressekonferenz erzählt, „typisch für europäische Verhältnisse“, mit Vorverkäufen von Verleih- und TV-Rechten. Für die Türkei aber war das „einzigartig“. Es wird nicht ausgesprochen, aber es ist klar: An öffentliche Gelder war nicht zu denken. Zwar wird im Film kein einziges Mal das Wort Kurdistan ausgesprochen, aber „Reise zur Sonne“ ist der erste türkische Film seit „Yol“, in dem Kurdisch gesprochen wird. Gedreht wurde mit Amateurschauspielern. Die zerstörten Dörfer wurden an Originalschauplätzen im Südosten gefilmt. Zeitweise mußte die Produktion unterbrochen werden. Explizit zeigt der Film Polizei-Willkür und -Brutalität.

Während der Produktion, so Regisseurin Yeșim Ustaoglu, habe man keinen sonderlichen politischen Druck gespürt. Noch hat sie „große Hoffnungen“, daß ihr Film auch in seinem Entstehungsland ins Kino kommt. Beim Frage- und Antwortspiel vor Journalisten versuchten Regisseurin und Produzent verständlicherweise, politische Fragen zu umgehen. Hauptthema ihres Films sei, sagte Ustaoglu, „die Migration, daß Menschen woanders ihr Glück versuchen“. Da ist Mehmet, von dem bis zum Ende des Films nicht klar wird, ob er seine kurdische Identität verleugnet, um sich zu assimilieren, oder ob er tatsächlich aus dem Westen der Türkei kommt und nur dunklere Haut als üblich hat. Sein Freund Berzan ist Kurde, auf der Flucht vor der Polizei und wohl im Untergrund aktiv. Arzu ist in Deutschland geboren und muß sich erst wieder an die Rolle gewöhnen, die die alte, neue Heimat Frauen zuweist. Noch malt sie sich Strumpfhosennähte auf die Beine und trinkt heimlich Bier.

Alle drei werden zerrieben zwischen Wünschen und Realität. Berzan will zurück in sein Heimatdorf und seine Jugendliebe heiraten, hat aber nicht einmal einen Ausweis, mit dem er durch die nächste Armeekontrolle kommen würde. Wenn Mehmet und Arzu sich ihre Liebe gestehen, dann tun sie es auf deutsch. Es klingt wie ein kleiner, trauriger Witz, oder wie eine verschwommene Erinnerung an Freiheit. Das Istanbul aus „Reise zur Sonne“ ist ein Istanbul der tristen Parkplätze und verrotteten Hinterhöfe, der Fußball- Hooligans, Straßenschlachten und bedrohlichen Polizeikordone. Dieses Istanbul verläßt Mehmet, um seinen Freund zu beerdigen, aber vor allem auch, weil er selbst entwurzelt ist. Es bleibt ihm kein Ort mehr, nirgends.

Als Mehmet endlich ankommt, sein Freund tot, seine Liebe weit weg, gibt es kein Zuhause mehr. Das Dorf ist zerstört, die Stadt versunken. Der Sarg treibt in den Stausee. Berzan war der einzige, der immer wußte, wo seine Heimat ist. Es hat ihm das Leben gekostet. Nun ist er wieder daheim. Mehmet und Arzu aber suchen noch immer.

„Günese Yolculuk“. Regie: Yeșim Ustaoglu. Mit Nazmi Oirix, Newroz Baz u.a. TR/NL/D 1999, 105 Min.

Heute, 9.30 Royal Palast und 21 Uhr Urania

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