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Ist die PDS in Sachsen-Anhalt noch Opposition?

■ PDS billigt Magdeburger Haushalt, SPD stimmt dafür Formulierung gemeinsamer Ziele zu

Magdeburg (taz) – Zumindest soviel stand schon vor der gestrigen Parlamentssitzung des sachsen-anhaltinischen Landtags fest: Der hart umkämpfte Haushaltsentwurf für 1999 wird eine Mehrheit finden. Noch im Herbst hatte die tolerierende PDS den Sparentwurf von Finanzminister Wolfgang Gerhards (SPD) als „unzumutbar“ bezeichnet. Gestern versorgten die Postkommunisten die SPD-Minderheitsregierung mit den notwendigen Stimmen, damit der Entwurf Gesetz wird. Vorangegangen war ein „harter Kampf um einzelne Posten“, so PDS-Fraktionsvize Matthias Gärtner.

Hart war der Kampf vor allem deshalb, weil der Gerhards-Entwurf starke Einschnitte auf den Hauptthemenfeldern der PDS vorsieht, etwa bei der Kinderbetreuung oder beim öffentlich geförderten Arbeitsmarkt. Sachsen-Anhalt ist seit Jahren Deutschlands Spitzenreiter bei der Arbeitslosenquote und in der Spitzengruppe der Pro-Kopf-Verschuldung – aber auch führend bei Sozialstandards. Daß das „so nicht weitergehen kann“, erkannte denn auch der neue Finanzminister Gerhards. Der 20,6 Milliarden Mark schwere Haushalt senkt die Neuverschuldung um 324 Millionen Mark – zu Lasten der Sozialpolitik. Hart war der Kampf auch, weil die PDS-Basis gegen die eigene Fraktion mobil machte. Die mußte sich immer wieder anhören, „heilige Kühe“ auf die Schlachtbank zu führen. Damit die PDS die schwerverdauliche Kröte schluckt, stimmte die SPD gestern im Gegenzug einem Entschließungsantrag zu, der die gemeinsamen landes- und bundespolitischen Ziele von PDS und SPD in den nächsten drei Jahre festlegt. Die CDU bezeichnet diesen Antrag als „kleinen Koalitionsvertrag“.

Landtagspräsident Wolfgang Schaefer (SPD) läßt nun prüfen, ob die PDS noch Oppositionsstatus hat. Nach Artikel 48 der Landesverfassung ist Opposition, wer „die Landesregierung nicht stützt“. Im Mai 1997 billigte das Landesverfassungsgericht der PDS die Bezeichnung „Opposition“ noch zu. Es gebe keine koalitionsähnlichen Absprachen, wiesen die Richter damals eine CDU- Klage ab. Inzwischen hat die Zusammenarbeit aber eine neue Qualität. Seit Oktober arbeiten gemeinsame Projektgruppen, die praktisch wie kleine Koalitionsausschüsse funktionieren. SPD- und PDS-Fraktionen bringen gemeinsame Anträge im Parlament ein. „Es passiert schon mal, daß eine gemeinsame Presseerklärung verkündet, was später beschlossen wird“, sagt CDU-Fraktionssprecher André Schröder. Die Christdemokraten geben sich sicher, daß nach Schaefers Prüfung ein neuerlicher Gang vors Verfassungsgericht nicht mehr notwendig sei.

Bei der Entscheidung geht es für die PDS nicht nur um die Oppositionszuschüsse, die der Partei jährlich in Höhe von über 200.000 Mark zufließen. Viel wichtiger ist Schaefers Urteil für das Selbstverständnis der Partei. „Aus der Opposition heraus Gestaltungsmöglichkeiten nutzen“ sei die Stärke des Magdeburger Modells, erklärte Landesvize Britta Ferchland noch im Herbst. Der Termin, an dem der Landtagspäsident vielleicht die PDS-Deckung trifft, ist noch nicht genannt. Nick Reimer

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