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Schnellschuß gegen militante Kurden

■ Während in Berlin die Behörden noch ermitteln, wie und wo die drei kurdischen Besetzer des israelischen Generalkonsulats zu Tode gekommen sind, formiert sich innenpolitisch bereits die Front derjenigen, die jetzt die konsequente Abschiebung aller kurdischen Straftäter verlangen

Nach der zum Teil schweren Kritik am Einsatz der Polizei vor dem israelischen Generalkonsulat in Berlin wies Polizeipräsident Hagen Saberschinsky gestern die Vorwürfe zurück. „Die Polizei“, so Saberschinsky, „hat außerordentlich schnell reagiert.“ Saberschinsky betonte noch einmal, daß unmittelbar, nachdem der Verfassungsschutz Erkenntnisse über die bevorstehende Besetzung des Konsulats bekommen habe, 30 Polizeibeamte zum Konsulat beordert worden seien.

Der israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, hatte kritisiert, die Berliner Polizei sei auf den Ansturm „offenbar nicht sehr vorbereitet“ gewesen. Auch in israelischen Medien waren Stimmen laut geworden, nach denen die tödlichen Schüsse nicht hätten fallen müssen, „wenn die deutsche Polizei ihre Aufgabe angemessen erfüllt und den Angriff auf das Konsulat verhindert hätte“. Der israelische Armeefunk meldete jedoch unter Berufung auf einen hochrangigen Beamten des Inlandsgeheimdiensts Schin Beth, daß man den israelischen Botschaften in aller Welt empfohlen habe, wegen der Kurdenproteste keinen zusätzlichen Polizeischutz bei den Gastländern anzufordern.

Auch der Berliner Innensenator Eckart Werthebach (CDU) wies die Kritik am Einsatz der Polizei zurück. Drei Wachpolizisten und zwei Streifenwagen hätten das Konsulat ständig bewacht. Eine stärkere Polizeipräsenz sei nicht möglich gewesen, weil die Berliner Beamten wegen der Kurdenproteste insgesamt 129 gefährdete Objekte schützen mußten. Gleichwohl räumte Polizeipräsident Saberschinsky gestern ein, daß „30 Beamte vor Ort sich im nachhinein als zuwenig herausgestellt haben“. Zwar hätten diese sofort Verstärkung angefordert, seien aber von den bereits anwesenden 50 bis 100 Kurden „niedergeknüppelt worden“. Dabei seien 27 Polizisten verletzt worden, fünf von ihnen erlitten Knochenbrüche. Auf seiten der Kurden seien insgesamt 229 Festnahmen erfolgt, davon sollen 18 Personen dem Haftrichter vorgeführt werden. Elf von ihnen wird vorgeworfen, an einer kurzzeitigen Geiselnahme innerhalb des Konsulats beteiligt gewesen zu sein.

Einzelheiten zum Stand der Ermittlungen wollten gestern weder Werthebach noch Saberschinsky mitteilen. Aufgrund des exterritorialen Status des Konsulats hätten die deutschen Behörden keinerlei Befugnisse, so Werthebach. Ermittlungen könnten nur mit Zustimmung Israels durchgeführt werden. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob es sich bei den Schüssen um Notwehr gehandelt hat und ob die Schüsse vor oder nach der Geiselnahme abgegeben worden sind. Allerdings, so Werthebach, habe ihm der israelische Botschafter gestern morgen seine Unterstützung zugesagt.

Im Verlauf des gestrigen Tages blieben noch immer mehr Fragen offen als beantwortet. So konnte der Innensenator nicht mitteilen, ob die vermutlich zwei isrealischen Schützen Diplomatenstatus hätten. In diesem Falle könnten sie zumindest in Deutschland nicht strafrechtlich belangt werden. Darüber hinaus gab es immer noch keine genauen Angaben über die Identität der drei erschossenen Kurden. Aus Justizkreisen verlautete lediglich, daß die getöteten Männer 1970 und 1974 geboren seien. Gerüchte, nach denen es sich bei der toten Frau um ein 13jähriges Mädchen handelte, wurden weder bestätigt noch dementiert.

Der Berliner Polizeipräsident bestätigte Meldungen des Vortages, daß sämtliche der 16 zum Teil schwerverletzten Kurden Schußverletzungen davongetragen hätten. Unklar blieb aber, ob es sich bei der Tatwaffe um eine Maschinenpistole gehandelt habe. Es stehe allerdings fest, daß ein Teil der Schüsse in schneller Schußfolge abgegeben worden sei.

Ebenfalls offen blieb die Frage, ob einer der Toten außerhalb des Botschaftsgebäudes erschossen worden sei. Nach vorläufigem Sachstand könne man allerdings ausschließen, daß die Kurden auf öffentlicher Straße erschossen worden seien. Dem widersprach allerdings eine kurdische Studentenvertreterin, die gehört haben will, daß einer der Kurden auf der Straße erschossen worden sei.

Unterdessen trat der Berliner Innensenator gestern die Flucht nach vorne an und forderte auch in Berlin die sofortige Einführung des Unterbindungsgewahrsams. In diesem Falle wäre es möglich gewesen, „die kurdischen Rädelsführer vier Tage lang aus dem Verkehr zu ziehen“. Polizeipräsident Hagen Saberschinsky vesuchte gar, sich mit einer lapidaren Bemerkung aus der Verantwortung zu stehlen: „Ich kann nur sagen, daß die Kurden letzlich nicht sehr gut beraten waren, sich dieses Objekt auszusuchen.“ Ralph Bollmann, Uwe Rada, Berlin

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