„Obwohl ich ein Weißbrot bin“

■ Shirley MacLaine über die Lust am Reisen und ihre erste Filmregie

taz: Frau MacLaine, man kennt Sie als Schauspielerin, Entertainerin, Autorin und Weltreisende. Jetzt führen Sie die Regie zu Ihrem ersten Film. Worum geht es?

Shirley MacLaine: Er handelt von einem neunjährigen Jungen, der auf eine katholische Klosterschule geht. Alle Einflüsse des Katholizismus prägen ihn, weshalb er in seinen Träumen im Himmel ist, wo er sieht, wie die Engel sich kleiden. Deshalb trägt er auch Kleider, wenn er Lust hat, und irritiert alle. Er gewinnt einen katholischen Schulpreis, und trifft den Papst in Rom – der ebenfalls ein Kleid trägt. Es ist ein Comedy-Drama. Ich spiele seine Oma. Es geht aber nicht um das Gender-Thema, sondern den Triumph der Individualität. Kein „La vie en rose“ oder die Frage „Ist dieser Junge schwul?“ Vielleicht hätte ich die Filmregie schon früher ausprobieren sollen. Aber ich habe es vorgezogen, durch die Welt zu reisen und ein paar Liebesaffären zu haben. Ich wollte nicht fest gebunden sein für anderthalb Jahre Film.

Es heißt, Sie selbst hätten Hal Ashbys „Willkommen Mr. Chance“ als Film für den Galaabend der Berlinale ausgesucht. Warum nicht beispielsweise Billy Wilders „The Apartment“, Hitchcocks „Immer Ärger mit Harry“ oder „Two for the Seesaw“ mit Robert Mitchum?

Nein, ich habe mir „Willkommen Mr. Chance“ nicht ausgesucht. Ich habe keine Ahnung, wie es dazu gekommen ist, aber es werden so viele Dinge in deinem Namen getan... Ich liebe den Film, aber er ist ein absolutes Peter-Sellers-Vehikel. Ich habe den Film gemacht, weil es damals klar war, daß es sein letzter sein würde. Für eine Hommage an mich hätte ich „Zeit der Zärtlichkeit“ von James L. Brooks vorgezogen. „Two for the Seesaw“ mag ich, aber ich war als Gittel Mosca dort nicht so authentisch, wie ich hätte sein können. Ist es nicht erstaunlich, wie viele jüdische Mädchen ich gespielt habe, obwohl ich doch ein Weißbrot bin, ich bin ein WASP.

An der Seite von Audrey Hepburn spielen Sie in „Infam“ („The Childrens Hour“) eine ihrer besten Rollen, eine junge Lehrerin, der eine lesbische Beziehung zu ihrer Kollegin nachgesagt wird. Was blieb von Lillian Hellmans Stück bei der Verfilmung 1960 übrig?

William Wyler, der Regisseur, bekam Angst, er hatte Angst vor dem lesbischen Aspekt in Lillian Hellmans Stück und nahm entscheidende Teile später aus dem Film. Bei der Premiere 1961 stürmte die Polizei das Kino. Er hat die ganze Entwicklung der Figuren herausgeschnitten. Wenn man schon so einen Stoff verfilmt, sollte man auch dem Mut haben, das adäquat zu tun.

Werden Sie in der Zukunft noch als Entertainerin auftreten?

Ich habe das in den letzten Jahren ein paarmal gemacht, aber ich finde es zunehmend skurriler, irgendwo in – sagen wir Minsk – auf der Bühne zu stehen. Aber ich plane, noch mal ein Programm zusammenzustellen mit „Sweet Charity“ und all diesen anderen Musicals, die ich vor tausend Jahren gesungen habe. Bob Fossey hat ja momentan eine Art Comeback am Broadway. Und wenn man wie ich bei Fossey das Handwerk gelernt hat, wird man das nicht mehr los. Also, meine letzte Großtat in dieser Richtung wird ein „Tribute to Fossey“ werden. Interview: Gudrun Holz