: Liebe zwischen Frau und Pullover
■ Claudia Hanfgarns tanzt, genießt, verspottet weibliche Rollenmuster noch zwei Mal im TiF in Bremerhaven
Schon das Foto auf dem Plakat kündigt an, worum es geht: Die Tänzerin Claudia Hanfgarn erzählt in ihrem Solo-Programm, das jetzt in Bremerhavens Theater im Fischereihafen (TiF) Premiere hatte, von Biegsamkeit und Verbiegungen des Körpers einer Frau. Das Foto zeigt einen nach vorn gebeugten Oberkörper, ein ausgestrecktes Hinterteil, eingefaßt in ein hautenges „kleines Schwarzes“. Für den traditionellen Männerblick eine scharfe Haltung, aber doch so überdreht (genauer: überdehnt), daß der ironische Kick unübersehbar ist. Claudia Hanfgarn ist, nach der Ballettausbildung in London und Hannover, nach Arbeiten mit Vivienne Newport, Susanne Linke u.a. seit drei Jahren in Bremerhaven zu Hause. Sie zeigt zum zweiten Mal eine Eigenproduktion für das TiF, in der sie sich als eigene Choreografin vorstellt.
Sie kommt fast ohne Requisiten aus, sie setzt auf die Sprache des Körpers, der im leeren Raum agiert – und das nicht nicht nur im Licht. Sie tanzt auch aus dem Lichtkegel in den Schatten hinein. Licht und Schatten sind ein Thema ihrer Frauengeschichten in vier Szenen. Da ist das Ballettpüppchen, das sich mechanisch dreht wie eine Figur auf einer Spieluhr, um dann ihren Körper zu strecken, um sich dem Geliebten entgegenzubiegen, der nur in Form eines Pullovers (und seiner Hose, die sie trägt) anwesend ist. Oder sie ist die Hausfrau, von manischer Ordnungswut besessen, die die Dinge auf dem Tisch immer wieder verrückt, um sie gelegentlich über den Tisch zu werfen und in obszöne Träume zu fallen. Oder sie ist die Verzweifelte, die ihren Kopf zwischen Stuhlbeine steckt, die wegzurutschen drohen.
Immer sind in ihren Bewegungen die Gegenbewegungen sichtbar: Ordnungszwang und Ausbruch, Puppendasein und freie Form, Weggleiten vom sicheren Platz und Aufbruch in neuen, ausgreifenden Bewegungen. Höhepunkt und Glanznummer ist „Das kleine Schwarze“. Claudia Hanfgarn agiert als Dame von Welt, raffiniert und elegant. Mit Hut, Sonnenbrille, Zigarettenspitze und Lacktäschchen stolziert sie auf die Bühne, um dann in chaplinesker Bravour der Tücke des Objekts zum Opfer zu fallen. Wie sie sich da windet, erst auf den hochhackigen Schuhen, dann aus dem Strumpf mit Laufmasche, dann aus dem endlich ausgeleierten Abendkleidchen, das schafft eine präzise Balance zwischen Komik und Leichtfertigkeit, wo das Lachen nicht aufs Schenkelklopfen hinausläuft. Denn am Ende hüpft die Frau in schwarzen Spitzen souverän und frech von der Bühne.
Beifall im TiF für eine Tänzerin, die im minimalistischen Gewand mit einfachsten Mitteln eine Stunde lang die Spannung hält und ohne jedes Pathos zartbittere Geschichten erzählen kann. Hans Happel
Claudia Hanfgarns Solo-Tanzabend „Rück-Wärts“ ist im Bremerhavener Theater im Fischereihafen (TiF) am 13. März um 20 Uhr nochmals zu sehen
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