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Nachdenken über die Todesstrafe

Die bisherige Praxis der Hinrichtungen und einige spektakuläre Fehlurteile bringen in den USA Bewegung in die verfahrene Diskussion um die Todesstrafe  ■ Aus Washington Peter Tautfest

In den Todestrakten US-amerikanischer Gefängnisse sitzen 3.500 Verurteilte. Wenn sie alle wirklich umgebracht werden, dann kommt auf die USA eine Hinrichtungswelle zu, die von der Öffentlichkeit nicht toleriert würde – so wurde noch vor zwei Jahren spekuliert. Dann setzte letztes Jahr die Hinrichtungswelle in Texas ein – und es geschah nichts. In diesem Jahr wurden bereits 18 Menschen staatlich umgebracht. Für März sind weitere 19 Hinrichtungen angesetzt. Einzelne Fälle machen Schlagzeilen, wie die der deutschen Gebrüder LaGrand in Arizona oder der des Wilford Berry, der am Wochenende in Ohio hingerichtet wurde, nachdem er seinen Anwälten untersagt hatte, die Rechtsmittel auszuschöpfen. Die meisten Exekutionen aber meldet nur noch die Lokalpresse.

Nun aber scheint sich doch etwas an der verhärteten Front der Diskussion um die Todesstrafe in den USA zu bewegen. In Illinois und Nebraska kommt die Todesstrafe erneut unter die Lupe – und das könnte langfristig und über die Grenzen dieser beiden Bundesstaaten hinaus Folgen haben.

Seit die Todesstrafe 1976 wieder eingeführt wurde, sind in den USA 75 Todeskandidaten nachträglich und zum Teil nur Stunden vor der Hinrichtung freigesprochen worden, weil der Justiz Irrtümer nachgewiesen werden konnten. Zehn dieser Freisprüche ergingen in Illinois und drei auf das Konto eines engagierten Hochschullehrers und seiner Studenten an Chicagos Medill School of Journalism. David Protess setzte seine Studenten auf Mordfälle an, in denen bereits Todesurteile ergangen waren. Zuletzt konnten sie 48 Stunden vor dessen Hinrichtung den Freispruch von Anthony Porter erwirken, der beschuldigt worden war, vor 17 Jahren in einem Chicagoer Park einen 18jährigen und seine 19jährige Freundin erschossen zu haben. Die Studenten bedienten sich des vorhandenen Aktenmaterials und begannen bei kleinen Ungereimtheiten. Schließlich konnten sie sogar den eigentlichen Mörder finden.

Jetzt erwägen der Gouverneur von Illinois, George Ryan, Chicagos Bürgermeister Richard M. Daley und der Chicagoer Staatsanwalt ein Hinrichtungsmoratorium, um mögliche Fehler bei der Zumessung der Todesstrafe zu untersuchen. Im Bundesstaat Nebraska hat am 12. Januar eine einstweilige Verfügung des Obersten Gerichts dieses Bundesstaats die Hinrichtung eines Mannes ausgesetzt, der beschuldigt wird, im März des Jahres 1980 zwei Frauen – eine davon schwanger – im Haus seiner Pflegeeltern erstochen zu haben. Der heute 42 Jahre alte Randolph Reeves ist Omaha-Indianer. Ein letztes Jahr in einer Volksabstimmung verabschiedeter Zusatz zur Verfassung von Nebraska hat zur Klage gegen sein Todesurteil geführt. Der Verfasssungszusatz gewährt allen Bürgern Nebraskas die gleichen Rechte vor dem Gesetz. Die aber sehen seine Anwälte verletzt, weil die Todesstrafe unverhältnismäßig of gegen Angehörige von Minderheiten verhängt wird. In Nebraska sind nur vier Prozent der Bevölkerung schwarz oder indianisch, aber 30 Prozent der zum Tode Verurteilten und 60 Prozent der Exekutierten.

Das Oberste Bundesgericht in Washington hat entsprechende Klagen bereits abgewiesen. Aber nicht nur in Nebraska prüfen die Obersten Gerichte einzelner Bundesstaaten, ob sie die Verfassungen ihrer Staaten nicht weiter auslegen können. Immerhin hat das Gericht in Lincoln, Nebraska, die Klage zugelassen. Sollte es zugunsten des Todeskandidaten entscheiden, ist nicht ausgeschlossen, daß das Urteil in anderen Bundesstaaten Nachahmer findet.

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