Analyse: Der Duft von Metall
■ Die Tarifparteien im öffentlichen Dienst gehen heute in die dritte Runde
Tarifstreits im öffentlichen Dienst sind immer eine undankbare Sache. Für die Bevölkerung, für die Gewerkschaft ÖTV und für die Arbeitnehmer selbst. Denn erstens sind Unbeteiligte betroffen, wenn irgendwo gewarnstreikt wird, Kitas nicht öffnen und der Müll liegenbleibt. Zweitens fehlt der Klassenfeind: Für die Personalkosten im öffentlichen Dienst kommt am Ende immer der Steuerzahler auf. Das wissen auch die Tarifparteien, die sich heute in Stuttgart zur dritten Tarifrunde für den öffentlichen Dienst treffen.
Die Arbeitgeber von Bund, Ländern und Kommunen und die Gewerkschaften ÖTV und DAG verhandeln die Lohnsteigerungen für die 3,2 Millionen Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst. In der Regel orientiert sich der Soldzuwachs für die 1,9 Millionen Beamten schließlich an diesem Ergebnis.
Gestern traten Zehntausende bei der Müllabfuhr, in Kitas und Verwaltungen zeitweise in den Ausstand, um der ÖTV- Forderung Nachdruck zu verleihen. Der Abschluß in der Metallindustrie im Volumen von 3,6 Prozent pro Jahr habe die Duftmarke gesetzt, heißt es bei der ÖTV. Das Metallergebnis ist aber nur bedingt auf den öffentlichen Dienst übertragbar, denn hier gibt es keine gestiegenen Gewinne, sondern nur leere Haushaltskassen. Die Arbeitsbelastung dürfte sich jedoch auch im öffentlichen Dienst verdichtet haben, bedingt durch den Stellenabbau.
Im vergangenen Jahr blieb der Abschluß im öffentlichen Dienst etwa ein Prozent unter dem Abschluß in der Metallindustrie. Für dieses Jahr würde dies bedeuten, daß die ÖTV für 1999 mit einem Volumen von 2,6 Prozent abschließt. Der Verhandlungsführer der Länder, Heinz Schleußer (SPD), hat schon erklärt, an eine drei vor dem Komma sei „nicht im Traum zu denken, es ist kaum eine eins denkbar“. Möglicherweise gibt es eine lineare Lohnerhöhung plus eines Pauschalbetrages. So lassen sich die Prozentzahlen am Ende etwas niedriger halten.
Die Krankenschwestern, Müllfahrer und Kita-Erzieherinnen werden dennoch in jedem Fall von dem Abschluß profitieren: Die Preissteigerungsrate ist so gering, daß auch eine Erhöhung von nur 2,5 Prozent den Arbeitnehmern eine höhere Kaufkraft beschert. Zumal Niedrigverdiener auch noch von niedrigeren Eingangssteuersätzen profitieren.
Jeder Prozentpunkt mehr an Lohn belastet die öffentlichen Kassen mit fast vier Milliarden Mark. Die Tarifparteien werden heute in Stuttgart lange feilschen, die Runde beginnt gegen elf Uhr und soll „open end“ tagen. Vielleicht kommt sogar schon ein Abschluß heraus. Eine Schlichtung jedenfalls würde die Arbeitgeber kaum billiger kommen. Barbara Dribbusch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen