Ladenöffnung als Wettbewerbsfaktor

■ Der Einzelhandelsverband legte gestern eine Studie zur Nutzung der Ladenöffnungszeiten vor und zog Jahresbilanz: Kunden schätzen längere Öffnungszeiten, geringe Umsatzeinbußen

Viele Menschen haben sich daran gewöhnt, daß die Läden länger geöffnet haben und möchten dies nicht missen. Das geht aus einer repräsentativen Telefonumfrage der Forschungsstelle für den Handel (FfH) vom vergangenen November hervor, die der Gesamtverband des Einzelhandels (GdE) gestern vorstellte. Danach nutzen mehr als 60 Prozent der Befragten die längeren Ladenöffnungszeiten regelmäßig oder gelegentlich (1997: knapp 60 Prozent), 13,7 Prozent selten (1997: 12,3 Prozent) und 23,7 Prozent nie (1997: 28,5 Prozent). Besonders hoch ist die Akzeptanz bei jüngeren Menschen, Besserverdienenden und Personen mit höherem Bildungsabschluß.

Ein Schwerpunkt der Nutzung längerer Öffnungszeiten liegt auf den Wochentagen Donnerstag, Freitag und Samstag und bei Geschäften in der Nachbarschaft, bei denen mehr als die Hälfte der Befragten den späteren Ladenschluß nutzt. Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, daß es für sie ein Verlust wäre, wenn die Geschäfte wieder früher schließen würden. Hätten die Geschäfte länger als 20 Uhr geöffnet, würden dies allerdings nur 27,2 Prozent häufiger nutzen, fast die Hälfte der Befragten nie. Insgesamt wertete die FfH die Ergebnisse als Ausdruck einer weiter verstärkten Akzeptanz der längeren Öffnungszeiten, die sich damit zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor im Einzelhandel entwickeln würden.

GdE-Geschäftsführer Nils Busch-Petersen wies gestern darauf hin, daß auch unter den Einzelhändlern die Bereitschaft zur längeren Öffnung der Läden steigt. So hätten beispielsweise am vergangenen 3. Oktober mehr als 2.000 Einzelhändler die Möglichkeit für Sonderöffnungszeiten genutzt. Des weiteren stellte der Einzelhandelsverband gestern seine Jahresbilanz 1998 vor.

Während die Einzelhändler bundesweit ein nominales Plus von 0,5 Prozent verbuchen konnten, ging der Umsatz in Berlin um etwa drei Prozent zurück. Das bedeutet einen Umsatzrückgang um etwa 861 Millionen auf 27,8 Milliarden Mark.

Besonders stark betroffen waren der Handel mit Elektronik (-16,8 Prozent), Nahrungsmitteln (-12,4 Prozent) und Möbeln (-9,8 Prozent). Der Beschäftigungsrückgang in dem drittgrößten Wirtschaftszweig lag im vergangenen Jahr bei 3,8 Prozent, wovon die Vollzeitbeschäftigten mit einem Rückgang um 5,5 Prozent wesentlich stärker betroffen waren als die Teilzeitkräfte.

Zu Beginn dieses Jahres betrug die Zahl der im Einzelhandel Beschäftigten 77.500 und lag damit um mehr als 3.000 unter der Marke vom Vorjahr. Die Zahl der Auszubildenden hingegen stieg in den vergangenen drei Jahren um 6,8 Prozent. GdE-Präsident Bernd Rückert machte gestern insbesondere die massive Expansion der Verkaufsflächen und den „nachhaltigen Wandel der Handelsstrukturen“ für den Umsatzrückgang im siebten Jahr in Folge verantwortlich.

Weitere Gründe seien die Stagnation der Nettoeinkommen, die rückläufige Bevölkerungsentwicklung und die unverändert hohe Arbeitslosigkeit. Für 1999 prognostiziert der GdE einen weiteren Rückgang des Umsatzes um zwei Prozent und der Beschäftigten um drei bis vier Prozent. Tobias Singelnstein