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Justiz befindet sich weiter in Notwehr

■ Der Tod der vier Kurden ist noch immer ungeklärt. Bei der gestrigen Sitzung des Rechtsausschusses stand nur fest, daß es im israelischen Konsulat keine Geiselnahme gab. Offen bleibt, ob es für einen

Vieles ist offen, eines steht fest: Die Grünen im Abgeordnetenhaus fordern einen Untersuchungssauschuß zur versuchten Erstürmung des israelischen Generalkonsulats. Es müsse die politische Verantwortung für die Vorfälle geklärt werden, betonte der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland nach der Vorlage eines ersten Berichts von Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge bei der gestrigen Sitzung des Rechtsausschusses. Infolge der Besetzung der Vertretung waren drei Kurden erschossen worden, ein weiterer starb später an seinen Verletzungen.

Es sei beschämend für die Stadt, daß die Abgeordneten sich mit diesem Thema beschäftigen müßten, hatte die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast zu Beginn der Sitzung des Rechtsausschusses gesagt. „Wieso konnten die deutschen Behörden die Israelis nicht ausreichend schützen?“ fragte sie. Die sei auch angesichts der deutschen Geschichte nicht unbedeutend. Es stelle sich die Frage, ob Berlin als künftiger Regierungssitz in der Lage sei, die vielen ausländischen Botschaften zu schützen.

Für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses sind die Grünen auf die Stimmen anderer Fraktionen angewiesen. Die PDS-Fraktion will am Dienstag entscheiden, ob sie die Grünen unterstützt. „Nach allen Erkenntnissen hat Werthebach in der Tat versagt“, sagte PDS-Fraktionschef Harald Wolf. Die Stimmen von Grünen und PDS würden für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ausreichen.

Mit der Vorlage des Berichts zum Stand der Ermittlungen zeigten sich die Fraktionen zum Teil zufrieden. Doch selbst die CDU stellte fest, daß noch immer viele Fragen offenblieben. Nach wie vor sei beispielsweise unklar, ob eine gesicherte Tür des Konsulats, von den anstürmenden Kurden oder von den israelischen Sicherheitsbeamten selbst geöffnet worden war. „Wir wissen es nicht“, sagte Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge.

Karge und Justizsenator Ehrhart Körting (SPD) hatten den Bericht gestern erst auf Druck der Grünen vorgelegt. Diese hatten mehrfach kritisiert, die Justiz informiere das Parlament und die Öffentlichkeit nicht ausreichend. Körting rechtfertigte sich zu Beginn der Sitzung damit, es sei nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, sich an Spekulationen zu beteiligen. Sie müsse Sachverhalte ermitteln. Karge und er seien sich einig gewesen, daß es unverantwortlich gewesen wäre, „Teilbruchstücke“ in der Öffentlichkeit zu diskutieren.

Einzig die angebliche Geiselnahme einer Konsulatsangestellten habe sich mittlerweile aufgeklärt, so Karge. „Die Kurden sind zwar in ihr Zimmer gestürmt, haben sie aber nicht gewaltsam festgehalten.“ Im Gegenteil: Nachdem die Schüsse gefallen seien, hätten die Kurden durch das geöffnete Fenster zu der mittlerweile eingetroffenen deutschen Polizei Kontakt aufgenommen und angeblich gerufen: „Wir wollen hier raus!“

Daraufhin, so der Generalstaatsanwalt, habe ein Sondereinsatzkomando der Polizei die am Treppenabsatz im Gebäude liegenden Leichen in den Keller gebracht. Damit sollte verhindert werden, daß die abziehenden Kurden zu „weiteren unkontrollierten emotionalen Handlungen“ provoziert würden.

In der Presse war spekuliert worden, ob die Israelis etwa durch ein Verlagern der Leichen versucht hätten, Tatort und -hergang zu manipulieren. Generaltstaatsanwalt Karge sagte: „Die Diskrepanz zwischen den verschiedenen Versionen über den Tathergang ist bedauerlich, aber nicht aus der Welt zu schaffen.“ Philipp Gessler

Annette Rollmann

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