: Für uns, nicht für die Wirtschaft lernen wir –betr.: „Wir brauchen die Schule nicht mehr!“, taz vom 23. 2. 99
[...] Was Reinhard Kahl unterschlägt, ist die grundsätzliche Zielsetzung von Bildung. Sicherlich ist die Forderung nach selbstbewußten, eigenverantwortlichen Menschen, wie sie Reinhard Kahl formulierte, nicht falsch – nur weil sie von einem Vertreter der Wirtschaft vorgebracht wird. Es ist auch absolut unsinnig, ja geradezu kindisch, sich, wie beschriebene GEW-Funktionäre, beleidigt zurückzulehnen und jegliche Mitwirkung zu verweigern. Es muß allerdings auch immer wieder deutlich hervorgehoben werden, daß die Ausrichtung des Lernens nach den Ansprüchen der Wirtschaft niemals Ziel der Bildung sein darf. Für uns, nicht für die Wirtschaft lernen wir! Es muß darum gehen, Bildung wieder von der emanzipatorischen Seite zu betrachten. Forderungen nach Selbstbewußtsein, Eigenverantwortung und Kritikfähigkeit dürfen sich nicht auf den wirtschaftlichen Kontext von Innovation und Konkurrenz erstrecken, sondern sie müssen als Grundlage für eine demokratische, die Hierarchien hinterfragende und vor allem solidarische Bildung begriffen werden.
Es darf nicht darauf vertraut werden, daß die Demokratisierung automatisch mit der Eigenverantwortung einhergeht. Demokratisches Handeln muß bewußt gelebt, Strukturen und Hierarchien bewußt hinterfragt werden. Nur wenn wir dies begreifen und den Bildungsprozeß sowie das durchaus kritikwürdige Konzept „Schulprogramm“ aktiv verändern, statt sich beleidigt in die Schmollecke zu verziehen, haben Wirtschaftsvertreter tatsächlich keine Chance mehr, die Schule für sich zu vereinnahmen und zum „Menschenlieferanten“ für ihre Zwecke umzufunktionieren. Anuscheh Farahat, Lahnau
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