Wenn der Traum zerbricht

■ Leise Verzweiflung zwischen den Tönen, nicht ohne stille Ironie: Granfaloon Bus machen Secondhand-Country ohne „Jodeln und lächerliche Klamotten“. Denn Nashville ist anderswo

Wenn die Weite unendlich wird, kann man Johnny Cash ins Autoradio schieben. Wenn der Schmerz unerträglich scheint, sollte man Hank Williams hören. Doch wenn der Traum zerbricht, haben Granfaloon Bus dafür schon lange den Soundtrack geschrieben. „Ich sehe uns eher als eine Folkband“, meint dagegen Felix Constanza, Schreiner, Sänger und Songschreiber, „ich besitze keine Country-Platten, und ich war auch niemals ein Fan.“ Immerhin mag er „den Sound einiger Platten“, was wenigstens ansatzweise erklärt, warum der Rest der Welt Granfaloon Bus für eine Country-Band hält.

„Die Songs, die ich schreibe“, glaubt Constanza, „scheinen sich automatisch dieser Form, dieser Gitarren zu bedienen.“ Tatsächlich scheint es fast so, als wird die Band zu einem unbewußten Aufschreibeapparat, registriert ohne intellektuelles Zutun der Musiker eine Stimmung, die sowieso durch die Musik geistert. Country, erzählt Constanza, hört er bestenfalls in der Bar seines Mitbewohners, und New Country oder Young Country ist „einfach nur schrecklich, das ist Müll“.

Trotzdem sind Granfaloon Bus Teil einer inzwischen längst nicht mehr nur marginalen Bewegung, die sich auf eine Tradition besinnt, die die meisten ihrer Protagonisten eher aus zweiter Hand kennen. Auch Constanza hat Country nicht von den Originalen aus Nashville gelernt, sondern über den Umweg Gram Parsons und Neil Young. Manche nennen es Alternative Country, andere Americana, aber selten ist es so melancholisch wie bei der Band aus San Francisco. „Ich mag Musik, die von diesem Zustand handelt“, sagt Constanza und erzählt, daß sich die Songs auch meistens nur schreiben lassen, wenn er selbst einen solchen Zustand erreicht.

In dem Jahr, in dem die Songs für die letzte Platte „Good Funeral Weather“ entstanden, „habe ich viel über die Menschen nachgedacht, die ich kannte und die gestorben sind“. So schrieb er „Cold Morning“, als sein Cousin starb. Andere Songs basieren auf Freunden und Bekannten, die schon seit Jahren tot sind. Trotzdem verliert sich die Platte nicht im Klagegesang, wie man ihn von beispielsweise Smog kennt. Immer wieder bricht Constanza seinen schwermütigen Blick auf die Welt durch eine leise Ironie. Ohne jedoch seinen Gegenstand zu verraten oder ihn gar ins Lächerliche zu ziehen, wie das Ween gerne betreiben, deren Humor Constanza als „over the top“ einordnet. „Ich arbeite daran“, sagt Felix Constanza, „daß mein Humor nicht zu offensichtlich wird.“ Selbst wenn Constanza verliebt ist, verliert er nicht seine Ironie: „Your voice is heaven but you can't sing.“ Auf einer älteren Platte von Granfaloon Bus heißt es gar: „Friends ends with end and lover with over.“

Auf seiner inzwischen fünften Platte hat das Quartett diese Texte ungewohnt kompakt vertont. Zwar kann man immer noch oft genug zwischen den manchmal einen Hauch zu lange in der Luft hängenden Tönen leise Verzweiflung hören, aber auf „Good Funeral Weather“ finden sich sogar einige Hits, so das für Granfaloon Bus ungewohnt flotte „We're Sellin' Helen's Hearse“ oder „Borders“, bei dem Sonya Hunter Background singt. Dazwischen nölt eine Steel Guitar, klimpert verloren ein Piano, jammern Akkordeon und Mundharmonika. Hört man die Musik von Granfaloon Bus, merkt man sehr genau, warum das, was momentan aus Nashville kommt, so verlogen klingt. „Bei Country“, sagt Felix Constanza, „muß ich immer an Jodeln und lächerliche Klamotten denken.“ Im Gegensatz zu Garth Brooks und Shania Twain allerdings müssen Constanza und seine Kollegen noch nebenbei arbeiten. 35 Jahre ist Constanza jetzt alt, und „natürlich würde ich gerne von der Musik leben“. Aber solange man bei einem kleinen Düsseldorfer Label veröffentlicht, weil man Probleme hat, zu Hause eine Firma zu finden, wird sich daran wohl kaum etwas ändern. Thomas Winkler

Granfaloon Bus: „Good Funeral Weather“ (Trocadero/TIS)