piwik no script img

Ottos Dinosaurier auf der Berliner Baustelle

■ Wettstreit um europäische Perspektiven zwischen Hertha und Kaiserslautern endet 1:1

Berlin (taz) – Vom Uefa-Cup spricht in Berlin niemand. Alles redet von der Champions League. Die Inflationierung der Plätze in Europas Elitewettbewerb hat zwar allseits Kritik bei den minderbemittelteren Klubs der nationalen Ligen hervorgerufen, eines gierigen Glimmens in den Augen können sich jedoch die wenigsten Vereinsverantwortlichen erwehren. Bei Hertha BSC hat die Hoffnung, einen der vier vorderen Plätze zu ergattern, die zumindest zur Qualifikation für die Champions League berechtigen, am Samstag mit dem 1:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern jedoch erst mal einen deutlichen Dämpfer erhalten.

Nach der etwas glücklichen Führung der Pfälzer in der 3. Minute durch einen prachtvollen 25-Meter-Schuß von Michael Ballack demonstrierten diese, was einen aktuellen Viertelfinalisten der Champions League von einem Emporkömmling wie Hertha BSC unterscheidet. Gleichzeitig zeigte der 1. FCK, was einen von Otto Rehhagel trainierten deutschen Überraschungsmeister von Europas Top-Teams unterscheidet. Mit einem Spielsystem, das von strikter Manndeckung und einem Libero Sforza geprägt war, der während des gesamten Matches gerade zweimal die gegnerische Hälfte aufsuchte, präsentierte Kaiserslautern eine Taktik direkt aus dem fußballerischen Jurassic Park. International kann man auf diese Weise in der Spitze kaum noch mithalten, bei der Hertha reichten die Mittel, um die Partie bis eine Viertelstunde vor Schluß souverän zu kontrollieren.

„Man konnte sehen, daß uns ein bißchen was fehlt, um ganz nach oben zu kommen“, stellte Herthas Stürmer Michael Preetz ernüchtert fest. Probleme gab es vor allem in der Abwehr. Gegen den famosen Michael Ballack (22) oder den schnellen Marco Reich (21) erweckten die Verteidiger Herzog und Sverrisson den Eindruck von behäbigen älteren Herren. Die individuelle Klasse von Leuten wie Ballack oder Reich ist es, die Kaiserslauterns konventionelles und schematisches Spiel gelegentlich auf eine höhere Ebene transzendiert. Das bewahrte Reich nicht vor Kritik des obersten Pfalz-Monarchen. „Er zeigt gute Ansätze“, meinte Otto Rehhagel zwar, schwärmte dann aber von Reichs Pendant auf Berliner Seite, Andreas Thom: „Der spielt konstant über die ganze Zeit und was er macht, hat immer Hand und Fuß.“

Womit wir bei der Schlußviertelstunde wären, als die Lauterer Kräfte nachließen, Thom und Wosz noch einmal aufdrehten, der eingewechselte Piotr Reiss plötzlich Lücken in die FCK-Abwehr riß, Preetz in der 79. Minute den Ausgleich köpfte und die Herthaner zeigten, warum sie trotz gewisser Abstriche weiter an den europäischen Wettbewerben schnuppern dürfen. „Wenn wir früher gegen gute Mannschaften zurücklagen, haben wir uns verkrochen“, erinnert sich Coach Röber, „keiner wollte mehr den Ball, das Spiel war verloren.“ Die erfolgreiche Aufholjagd gegen den amtierenden Meister gibt Mut, auch wenn Preetz meint: „Bis zur Champions League ist es noch ein weiter Weg.“

Diesen zu ebnen ist die Vereinsführung derzeit emsig bestrebt. „Wir haben eine Substanz aufgebaut, für die andere Vereine zehn bis 15 Jahre brauchen“, spart Manager Dieter Hoeneß nicht mit Eigenlob, räumt aber ein, daß es „noch viele Baustellen“ gibt. Bereits in diesem Jahr soll die Profiabteilung nach Bekunden von Präsident Walter Müller in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt werden, und eine weitere Aufstockung des Saisonetats von derzeit 42 Millionen Mark soll garantieren, daß mit Hilfe von Neuverpflichtungen wie etwa Marco Bode oder Marko Rehmer die Champions-League- Teilnahme spätestens in der nächsten Saison realisiert wird. Sicher scheint jedenfalls nach dem gerechten 1:1 vom Samstag, daß die Zukunft eher Hertha BSC gehört als dem Dinosaurierfußball des 1. FC Kaiserslautern. Matti Lieske

1. FC Kaiserslautern: Reinke – Sforza – Ramzy, Koch (62. Hrutka) – Ratinho (62. Roos), Ballack, Riedl, Reich, Wagner – Rische, Rösler (78. Graf)

Zuschauer: 54.433; Tore: 0:1 Ballack (3.), 1:1 Preetz (79.)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen